Die Regierungsbildung in den Niederlanden zieht sich hin: Der Chef der neuen Mitte-Rechtspartei, Pieter Omtzigt, hat weitere Koalitionsverhandlungen abgelehnt. Wie geht es weiter?

Korrespondenten: Helmut Hetzel (htz)

Rund zehn Wochen nach der Parlamentswahl in den Niederlanden ist auch der zweite Anlauf auf die Bildung einer neuen rechts-konservativen Regierung unter einem möglichen Ministerpräsidenten Geert Wilders gescheitert. Der Chef der neuen Mitte-Rechtspartei Pieter Omtzigt erklärte am Dienstag, dass er nicht weiter über eine Koalitionsverhandlung verhandeln wolle. Als Grund gab er die „unsichere Finanz- und Haushaltslage“ an. „Wir wollen keine leeren Versprechungen machen, sondern die Versprechungen, die wir geben, einhalten,“ begründete Omtzigt seinen überraschenden Schritt. Er habe „kein Vertrauen“ mehr, um mit den anderen drei potenziellen Partnern zu regieren.

 

Zur nächsten Verhandlungsrunde, die für Mittwoch angesetzt war, wolle er nicht kommen. Der die Koalitionsverhandlungen leitende „Informateur“ Ronald Plasterk kritisierte das Verhalten von Omtzigt scharf und sagte: „Ich weiß jetzt gar nicht mehr, was er will. Er scheint etwas wirr zu sein.“

„Omtzigt ist auf Kamikaze-Kurs“

Denn Pieter Omtzigt steigerte die Verwirrung, die er auslöste noch, weil er in einer TV-Talkshow sagte: „Dass wir jetzt aus den Koalitionsverhandlungen aussteigen, das heißt nicht, dass wir nicht weiter mitreden wollen. Wir sind noch immer offen für neue Verhandlungen,“ so Omtzigt in der RTL-Talkshow „Humberto.“ „Omtzigt ist auf Kamikaze-Kurs“ titelte die größte Zeitung der Niederlande, „De Telegraaf.“

Die christlich-liberale Zeitung „Trouw“ sprach von einem „Trauerspiel“ der politischen Akteure, das angesichts der Klimakrise, der instabilen weltpolitischen Lage und vor dem Hintergrund der Kriege in Nahost und in der Ukraine „unverantwortlich“ sei.

Es scheint so, als wollten Omtzigt und dessen NSC nicht mitregieren, sondern eine Minderheitsregierung aus den drei anderen rechtskonservativen Parteien lediglich dulden. Dies sind: Geert Wilders von der rechtspopulistischen PVV, Dilan Yesilgöz, von der rechtsliberalen VVD und Caroline van der Plas, von der Bauern-Bürger-Bewegung BBB. Sollte auch diese Minderheitsregierung nicht zustande kommen, dann sind Neuwahlen in den Niederlanden wahrscheinlich.

Geert Wilders zeigte sich „sehr enttäuscht“ von der Haltung von Omtzigt. Er betonte erneut, „dass die Wähler eine rechts-konservative Regierung wollen.“ Aber auch Wilders schließt Neuwahlen nicht mehr ganz aus. Die könnten Wilders und seine rechtspopulistische Freiheitspartei PVV noch stärker machen.

Der Meinungsforscher Maurice de Hond, prognostiziert für den Fall von Neuwahlen dann „mindestens 50 Sitze für die PVV.“

Wilders schließt Neuwahlen nicht mehr aus

Derzeit stellt die PVV 37 Abgeordnete im 150 Mitglieder zählenden Haager Parlament. Die VVD 24, die NSC 20 und die BBB sieben Abgeordnete.

Zum Vergleich: Nur dem früheren langjährigen christdemokratischen Ministerpräsidenten Ruud Lubbers (CDA) gelang es bisher mit der CDA mehr als 50 Sitze bei Wahlen zu erringen. 1986 und 1989 errang die CDA unter Führung von Lubbers große Wahlsiege und stellte jeweils 54 der 150 Abgeordneten. Heute hat die CDA fünf Sitze im Haager Parlament. Die einst so mächtigen Christdemokraten spielen kaum noch eine Rolle in der niederländischen Politik, sie sind zu einer Splitterpartei geworden.

Trotzdem: Am kommenden Montag will der „Informateur“ der Regierungsbildung, Ronald Plasterk, seinen Abschlussbericht vorlegen. Der könnte mehr Klarheit darüber bringen, wie es nach diesen Chaostagen in Den Haag weiter gehen könnte. Ob Neuwahlen unvermeidlich geworden sind, oder ob es einen vierten Anlauf zur Regierungsbildung geben wird. Möglich wäre auch das. Die Bildung der Regierung nach der letzten Wahl in 2021, sie dauerte sage und schreibe 299 Tage.