Die große Koalition streitet über den Klimaschutz. Auslöser ist ein Gesetzentwurf von Umweltministerin Svenja Schulze, der alle Minister in die Pflicht nimmt. Die Union ist empört.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Berlin - Wenn das Motto „Viel Feind, viel Ehr“ die Grundlage für den Streit um das geplante Klimaschutzgesetz der Bundesregierung wäre, könnte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gerade ziemlich zufrieden mit sich sein. So viel „Feind“ hatte sie in ihrer bisherigen Amtszeit als Chefin des Ressorts für die ökologischen Themen noch nie als indirekte Ehrenbezeugung vorzuweisen. Jetzt aber schießt die Union aus ziemlich vielen Rohren gegen Schulze, weil sie in einem Referentenentwurf zum Bundes-Klimaschutzgesetz die verbleibende Zeit bis zur Mitte des Jahrhunderts mit Hilfe einiger Zahlen in Etappen gliedert, die die Bundesregierung zurücklegen muss, um den Ausstieg aus der bisherigen, klimaschädlichen Wirtschaftsweise zu schaffen.

 

Dazu hat Deutschland sich im Pariser Klimaabkommen verpflichtet und auch auf nationaler Ebene bereits einige Vorfestlegungen getroffen. Aber jetzt geht es um die Operationalisierung. Das Klimaschutzgesetz ist das wichtigste Vorhaben der Umweltministerin in der ganzen Legislaturperiode. Schulze will laut ihrem Entwurf jetzt festlegen, dass die Treibhausgasemissionen bis 2020 um vierzig Prozent (gemessen am Basisjahr 1990), bis 2030 um mindestens 55 Prozent, bis 2040 um 70 Prozent und bis 2050 um mindestens 95 Prozent sinken müssen.

Die Minister sollen zahlen

Außerdem legt sie CO2-Minderungspfade bis zum Jahr 2030 für die einzelnen Sektoren von der Energiewirtschaft über Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und Gebäude fest. Wie genau diese Zwischenziele erreicht werden sollen, gibt der Gesetzentwurf nicht vor. Werden die Latten gerissen, hat das teure Folgen: Dann müssen wegen des europäischen Emissionshandels Verschmutzungsrechte aus anderen EU-Staaten angekauft werden. Die Kosten sollen die zuständigen Minister aus dem eigenen Haushalt decken und zwar „anteilig nach dem Grad der Nichteinhaltung der jeweiligen Jahresemissionsmengen“.

Die Zustimmung der übrigen Kabinettsmitglieder hat Schulze für ihren Plan noch nicht. Und Angela Merkel hält sich in ihrer ersten Reaktion auf den Entwurf, den Schulze dem Kanzleramt zur Vorabstimmung zugeleitet hat, ziemlich bedeckt. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin erkennbar distanziert nur, die Kanzlerin stehe hinter dem Ziel, gesetzliche Regelungen zu treffen, damit die nationalen Klimaschutzziele 2030 eingehalten werden. Allerdings sei das Thema komplex und facettenreich. Inhaltlich bewerten wollte Seibert die Vorlage nicht.

Ruf nach konkrete Maßnahmen

Zurückhaltung üben die Wirtschaft- und Umweltpolitiker der Union nicht. Sie wollen kein Rahmengesetz à la Schulze, sondern Maßnahmengesetze für die einzelnen Sektoren. „Eine Klimaplanwirtschaft wird es mit CDU und CSU nicht geben“, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer. Anja Weisgerber (CSU) sprach mit Blick auf Schulzes Gesetzentwurf von einer „leeren Hülle“. Damit werde kein Gramm CO2 gespart, weil er keine konkreten Maßnahmen enthalte. Auch der Wirtschaftsrat der CDU verbittet sich Planwirtschaft und setzt sich stattdessen „für ein wirksames marktwirtschaftliches, sektorenübergreifendes CO2-Preissignal“ im Rahmen des EU-Emissionshandels ein.

Rückendeckung aus den eigenen Reihen erhält die Umweltministerin von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles und Finanzminister Olaf Scholz. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil warnte die Union vor einer Blockade des im Koalitionsvertrag verabredeten Vorhabens. Schulze bekräftigte am Freitag, dass sie sich auf dem Boden des schwarz-roten Regierungsprogramms sieht. Schulze will mit ihrem Gesetz einen Rahmen für den Klimaschutz setzen. Auf Grundlage dieses Rahmens „sollen die jeweils zuständigen Minister die einzelnen Maßnahmen dann vorlegen“, betone sie und erinnerte an bisherige Defizite. „Bisher war es ja so: Alle waren mit Klimaschutz einverstanden, alle haben die Ziele unterstützt, nur wenn es konkret wurde, wurde nicht gehandelt.“