Kleine Betriebe erwirtschaften weniger, als ein Angestellter verdient. Das Prinzip Selbstausbeutung sichert dem Mittelstand das Überleben, aber nicht den Generationswechsel.

Stuttgart - Im Großraum Stuttgart drohen bis 2017 Jahr für Jahr 3400 Betriebe mit ungefähr 28 000 Beschäftigten vom Markt zu verschwinden. Das ist nach einer Analyse der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart und des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen eine Folge des Generationswechsels in den Unternehmen.

 

Nur jährlich 850 Betriebe mit 14 000 Mitarbeitern sind in der Terminologie des IAW „übergabewürdig“, haben also Aussicht darauf, einen Nachfolger zu finden. Das machen die Tübinger daran fest, dass ein Übernahmeinteressent mit dem Betrieb mindestens so viel verdienen können muss wie ein Angestellter und dabei noch die Kosten des eingesetzten Kapitals erwirtschaftet. „Nicht jeder Betrieb, zumal wenn er keine Beschäftigten hat, ist auf eine Übergabe angelegt. Viele dienen dem Nebenerwerb oder der Finanzierung des Lebensunterhalts bis zur Rente“, erklärt IHK-Präsident Georg Fichtner den großen Anteil nicht übergabewürdiger Geschäfte. Nach Ansicht von IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter gibt es durchaus vor allem kleine Betriebe, die sich nur durch Selbstausbeutung der Inhaber über Wasser halten können. Hört der Unternehmer auf, sei der Untergang zwangsläufig. In der Größenklasse mit einem Umsatz unter zwei Millionen Euro ist der Anteil übergabewürdiger Betriebe besonders gering.

Immer weniger Familienbetriebe

Der Generationswechsel steht in vielen Unternehmen bevor. Denn immerhin 30,7 Prozent aller Selbstständigen in Baden-Württemberg sind älter als 55 Jahre. Die IHK versucht deshalb mit Beratungen und Veranstaltungen die Mitgliedsbetriebe bei der Organisation der Übergabe zu unterstützen. In der Region Stuttgart gibt es etwa 95 000 inhabergeführte Unternehmen. Entsprechend dem bundesweiten Trend sinkt der Anteil der Familienbetriebe, von 86 Prozent im Jahr 2010 auf 83 Prozent im Jahr 2013.

Die gute Arbeitsmarktlage in der Region erschwert es aus Sicht von Fichtner, Menschen für die Selbstständigkeit zu gewinnen. „Kleine und mittelständische Unternehmen stehen bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger immer auch im Wettbewerb mit den vielen gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Region“, sagte der IHK-Präsident. Das Werben für das Unternehmertum betrachtet er nicht nur als Aufgabe der IHK, sondern auch als eine der Politik. In diesem Zusammenhang findet er die sich abzeichnende Reform der Erbschaftsteuer nicht hilfreich. Obwohl die Untersuchung keine direkten Hinweise auf die Gründe für das Scheitern von Übergängen gibt, beklagt Fichtner doch ein gesellschaftliches Klima, das unternehmerischem Handeln keine große Wertschätzung entgegenbringt. Hinzu komme, dass Deutschland ein teurer und für Ausländer schwer zu durchschauender Standort sei. „Was die Standortbedingungen betrifft, so bewegen wir uns an der Grenze“, sagte Fichtner.

Neugründungen sind in der Analyse nicht enthalten. Richter ist sich aber sicher, dass die Zahl neuer Betriebe nicht reicht, den Schwund durch ausscheidende Betriebe zu kompensieren. Fichtner moniert, dass das Gründungsgeschehen in der Region geringer ausgeprägt sei als anderswo.