Der Regionalverband erteilt Liveübertragungen seiner Debatten erneut eine Absage, die Stadt Stuttgart hat noch nicht entschieden. Fragen des Datenschutzes und der Kosten spielen bei dem Thema eine wichtige Rolle.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Eine Debatte gab es nicht, eine größere Begründung auch nicht – dennoch hat der Wirtschaftsausschuss im Verband Region Stuttgart (VRS) jetzt den Vorschlag abgeschmettert, die Sitzungen der Regionalversammlung künftig, damit möglichst viele Bürger die Diskussionen verfolgen können, live im Internet zu übertragen. Zum Beispiel plant der VRS gerade bis zu 80 neue Standorte für Windräder; da wäre durchaus eine gewisse Einschaltquote zu vermuten.

 

Zwei Gründe gab es für die klare Absage. Der Vorschlag kam erstens von dem Republikaner-Regionalrat Ulrich Deuschle, und schon deshalb war er für viele nicht mehrheitswürdig. Zweitens aber hatte der VRS vor zwei Jahren eine eingehende Prüfung veranlasst und war zu dem Ergebnis gekommen, dass es zu hohe datenschutzrechtliche und finanzielle Hürden gebe. Daran habe sich bis heute nichts geändert, ließ man Deuschle wissen.

Schriftliche Zustimmung notwendig

Das stimmt so allerdings nicht. In Konstanz und in Seelbach (Ortenaukreis) kann man nämlich Sitzungen des Gemeinderates bereits am Bildschirm verfolgen; es ist also durchaus möglich, die genannten Hürden zu überspringen. Die Rechtslage sieht laut dem Landesbeauftragten für Datenschutz, Jörg Klingbeil, folgendermaßen aus: Die Übertragung stelle einen „besonders schwerwiegenden Eingriff in das informelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen“ dar. Alle Personen, die auf dem Video zu sehen seien, müssten deshalb vorher schriftlich der Übertragung zustimmen.

Dazu gehören nicht nur alle Regional- oder Gemeinderäte, sondern auch Mitarbeiter der Verwaltung sowie Besucher. Zudem müsse es die Möglichkeit geben, Übertragungen jederzeit zu stoppen, wenn in Redebeiträgen der Datenschutz verletzt werde. Dem VRS ist dieses komplizierte Verfahren zu aufwendig.

Kosten als Argument gegen die Übertragung

„Es mag in der Ära von Youtube eine Frage der Zeit sein, bis sich eine andere Auffassung durchsetzt“, sagt Jörg Klingbeil: „Derzeit ist dies aber noch Gesetz.“ Anders sehe es lediglich bei Landtagen und im Bundestag aus; da es sich dort um echte Parlamente handle, stehe einer Übertragung nichts im Weg. Auch die Sitzungen im Landtag in Stuttgart können schon lange über das Internet verfolgt werden. Die Kosten für die Übertragung allein der etwa Regionalversammlungen waren vom VRS 2012 auf 10 000 bis 25 000 Euro pro Jahr beziffert worden. Auch diese Kosten seien ein Argument gegen die Übertragung.

In Konstanz sieht man dies anders. Dort nimmt eine externe Agentur jede Sitzung des Gemeinderates mit drei Kameras auf, prüft dabei eventuelle Verletzungen des Datenschutzes und stellt das Video am nächsten Tag als Podcast online. Das Besondere: die Videos sind aufgeteilt nach Tagesordnungspunkten, sodass jeder Bürger direkt in jene Debatte hineinklicken kann, die ihn interessiert.

Stadt prüft intern – auch Übertragungen aus Ausschüssen

Etwa 1500 bis 5000 virtuelle Besucher habe man pro Sitzung, sagt Walter Rügert, der Sprecher der Stadt Konstanz. Damit sei man sehr zufrieden. Die Kosten lägen bei 1000 Euro pro Sitzung. Der Aufwand sei lediglich am Anfang hoch gewesen, da alle Gemeinderäte und Mitarbeiter eine Erklärung hätten unterschreiben müssen. Im Sitzungssaal wurde eine klar markierte Linie auf den Boden gezeichnet: Alle Besucher, die die Linie überqueren, wissen, dass sie von jetzt an im Bild sein können.

Ein etwas anderes Modell hat Seelbach bei Lahr gewählt. Dort sollen die Debatten von Januar an tatsächlich live übertragen werden, allerdings mit einem Zeitversatz von 90 Sekunden. So bleibe genügend Zeit, den Stream zu stoppen, wenn dies notwendig werden würde, sagte der Leiter des Hauptamts, Pascal Weber. Das Konzept ist gemeinsam mit der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl entstanden. Und: Die Schüler der Realschule am Ort sind einbezogen und stehen am Regiepult – so fördere man deren Medienkompetenz, sagt Weber, und halte gleichzeitig die Kosten gering. Seelbach und Konstanz haben ihre Projekte mit dem Landesbeauftragten für Datenschutz abgesprochen – beide sind also abgesegnet.

In Stuttgart sind Übertragungen aus dem Gemeinderat derzeit ebenfalls wieder ein Thema, aber noch intern in der Verwaltung, wie Pressesprecher Sven Matis sagt. Man prüfe im Moment, welche Kosten anfielen und welche Probleme wie gelöst werden könnten. Eine Frage sei zum Beispiel, ob auch die Ausschüsse übertragen werden sollen: „Gerade dort finden ja oft die spannenden Debatten statt“, so Matis. Die Verwaltung wolle im nächsten Jahr mit dem Gemeinderat ins Gespräch kommen.