Ist die Hauptfigur Meinhard in „Western“ ein klassischer Pionier?
Er ist zunächst mal ein verlorener, einsamer Mensch, dem das Leben noch ein Abenteuer schuldet. Für mich ist er ein verletzlicher Mann, der sich dem Kontakt mit dem fremden Ort aussetzt und ins Stolpern kommt. Für mich ist interessant, dass er nicht bloß dieser „good guy“, sondern auch opportunistisch ist, und eine Angst in sich trägt, die er sich nicht eingestehen will.
Warum spielt die Geschichte in Bulgarien?
Mir ging es darum, die Männer mit ihrem EU-Bauprojekt an einen Ort zu bringen, wo sie einen Hochstatus haben. Bulgarien ist offiziell das ärmste Land von Europa. Mal abgesehen davon, dass die Landschaft dort mythisch ist und in der Region viel in Bewegung war, treffen dort sehr kompakt unterschiedliche Ideen von Europa aufeinander.
Der Traum vom schrankenlosen Europa stimmt also nicht?
Nein, sicher nicht. Wenn man zum Beispiel als Gastarbeiter nach Griechenland geht, verdient man an einem Tag fünfzig Euro, in Bulgarien dagegen fünfundzwanzig. Für 1,20 Euro bekommt man in Bulgarien ein komplettes Frühstück. Das ist doch eine ganz konkrete Grenze! Für uns ist es paradiesisch, dort hinzufahren, aber Bulgaren können nicht einfach hier Urlaub machen.
Kann denn ein Film solche Grenzen überhaupt einreißen?
Da steckt mein humanistischer Wunsch dahinter, dass der Film für Kommunikation plädiert. Auch wenn Meinhard sich nicht immer einwandfrei verhält und dann eines auf die Mütze kriegt – er haut nicht ab, sondern setzt sich der Scham aus und zeigt Schwäche. In solchen Augenblicken treten Menschen erst wirklich in Kontakt.
Der Alltag der Bauarbeiter in „Western“ wirkt sehr authentisch. Denken Sie, dass der Film auch Zuschauer direkt aus diesem Milieu erreicht?
Ich selbst denke, jeder kann sich diesen Film angucken. Ich frage mich immer, wie ich Menschen mit Kino in Kontakt bringen kann. Ich selbst will Filme sehen, die mich herausfordern. Mich fasziniert nicht nur das, was man erfinden kann, sondern auch das, was man nicht erfinden kann. Ich mache den Film nicht für irgendein Milieu, aber natürlich fragt man sich, wer da ins Kino geht. Gerade da gibt es immer wieder Überraschungen.