Reise Hoffnung für die Kunst am Kap
In Südafrika hat der Staat andere Sorgen, als sich um Kunstszene und die Kulturschätze zu kümmern. Zum Glück gibt es private Initiativen wie die der Sammler Jochen Zeitz und Paul Harris.
In Südafrika hat der Staat andere Sorgen, als sich um Kunstszene und die Kulturschätze zu kümmern. Zum Glück gibt es private Initiativen wie die der Sammler Jochen Zeitz und Paul Harris.
Conrad Hicks traktiert ein Tennisschläger-großes Stück glühend heißes Kupfer. Erst benutzt er die mächtige, strombetriebene Hammerschmiede, dann geht es weiter auf dem Ambros mit Muskelkraft. Hicks ist Bildhauer und Kunstschmied, er kreiert aus Metall aufs Wesentliche reduzierte Figuren oder abstrakte, stark strukturierte Formen. Der 1966 geborene Südafrikaner, ein jung wirkender Schlaks mit blonder Strubbelfrisur und Lausbubenblick, setzt sich intensiv mit dem Material auseinander.
„Ich versuche, die im Metall versteckte Schönheit zu erkennen“, erklärt er. Dabei arbeite er intuitiv und mache das, was ihm in den Sinn komme. So wie ein Musiker, der auf seinem Instrument improvisiert. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Als er die schützenden Handschuhe ablegt, kommen schwarz verschmierte Finger zum Vorschein. Für diese Art Kunst darf man nicht zimperlich sein.
Hicks sieht sich in der Tradition eines Werkzeugmachers. „Werkzeuge haben die Menschheit vorangebracht. Sie sind so wichtig.“ Daher ist es für Hicks selbstverständlich, neben skulpturalen Dingen auch Funktionales herzustellen, zum Beispiel Messer und Pfannen. Für seinen Freund, den Kapstadter Starkoch Peter Tempelhoff, und dessen Restaurant Fyn hat er spezielle Kupferschalen mit Deckel kreiert. Türen, Treppen, Tore und Zäune gehören ebenfalls zum Repertoire.
Hicks’ Studio befindet sich in einem ehemaligen Kino im Kapstadter Stadtteil Observatory. An der Fassade steht noch der alte Name: „Bijou“. Das Art-déco-Gebäude ist nur auf den zweiten Blick ein Juwel: Es war bis auf die Außenwände abgebrannt, die Spuren des Feuers sind erkennbar. Doch Hicks findet, Ruß passt zu ihm und seiner Kunst. Außer der Schmiede gibt es noch ein Maleratelier, eine Druckwerkstatt, eine Kaffeerösterei und das Büro von Kunstvermittlerin Talita Swarts und ihrer Firma Artroute.
Die 42-Jährige stammt aus einem kleinen Dorf an der Grenze zu Botsuana und kam wegen der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 nach Kapstadt. Ihr Mann half als Ingenieur beim Bau des Cape-Town-Stadions. Das Projekt war irgendwann abgeschlossen, die Familie blieb. Inzwischen ist die Kunsthistorikerin am Kap bestens vernetzt und mit jedem, der mit Kunst zu tun hat, befreundet.
Südafrika ist ein Land mit vielen Problemen und sozialer Ungerechtigkeit. Auch 30 Jahre nach dem Ende der Apartheid verheilen die Narben der grausam erzwungenen Rassentrennung nur langsam. Der Staat hat nicht die Mittel, sich um scheinbare Nebensächlichkeiten wie Kunst zu kümmern. Es braucht private Hilfe. „In Afrika läuft nicht immer alles rund. Um nicht zu verzweifeln, muss man entweder einen großen Sinn für Humor haben oder sich das afrikanische Konzept für Zeitgefühl aneignen“, sagt Talita Swarts. 2017 initiierte Jochen Zeitz, der damalige Chef des Sportartikelherstellers Puma und heutige CEO von Harley-Davidson, den Bau eines Museums für zeitgenössische Kunst. Der gebürtige Mannheimer sammelt Bilder und Skulpturen vom Schwarzen Erdteil. Seine Kollektion stiftete er dem nach ihm benannten Zeitz Museum of Contemporary Art Africa, kurz Zeitz Mocaa.
Das Museum befindet sich am quirligen Hafen im Herzen der Stadt, nur wenige Schritte von der Victoria and Alfred Waterfront entfernt. Das Gebäude war früher ein Getreidespeicher. Die wie riesige Röhren dicht nebeneinanderstehenden Silos wurden ausgehöhlt, sodass eine Art moderne Kathedrale entstanden ist. Der spektakuläre Entwurf stammt von Thomas Heatherwick. Der Umbau gehört zu den wichtigsten Werken des britischen Architekten.
Viele verbinden mit afrikanischer Kunst allenfalls Masken, Holzschnitte oder ethnische Malereien. Das Zeitz Mocaa hat den Anspruch, diesen Missstand zu ändern. Daher erntete das Museum bei der Eröffnung viel Lob, wurde als das „MoMA des Schwarzen Kontinents“ gefeiert. Im Moment wird eine Sonderausstellung mit Werken der in London lebenden Nigerianerin Mary Evans gezeigt. Die Künstlerin setzt sich mit dem Schicksal der aus Afrika in die USA deportierten Sklaven auseinander. Die Solo-Ausstellung läuft bis Ende November, danach wird Zeitz’ Sammlung, die sich im Moment im Depot befindet, neu präsentiert. Kurator Storm Janse van Rensburg arbeitet gerade an der Ausstellung namens „Sala“, die im Dezember startet. Der Titel ist eine Phrase aus der Sprache der Nguni und vereint Werke von 17 Künstlern wie Athi-Patra Ruga, Cyrus Kabiru, Edson Chagas, El Anatsui oder Julien Sinzogan. Eine vom Zeitz Mocaa kuratierte Schau kommt übrigens bald nach Europa: „When We See Us – Hundert Jahre panafrikanische figurative Malerei“ wird ab Mai 2024 im Kunstmuseum Basel zu sehen sein.
Ein Geheimtipp für Kunstfans ist das Ellerman House. Das Hotel beherbergt die größte private Sammlung südafrikanischer Kunst. Sie gehört dem in Stellenbosch wohnenden Millionär Paul Harris, der sein Geld mit Mobilfunk und im Bankenbusiness gemacht hat. Der dreigeschossige Kolonialbau im eleganten „Cape Edwardian“-Stil liegt windgeschützt an den Hängen von Bantry Bay, einem schicken Vorort der Hafenstadt, und ist eine Sehenswürdigkeit an sich. Es gibt einen wunderschön angelegten Garten, eine Aussicht, die einem den Atem raubt, und Kunst, Kunst, Kunst. In den Fluren, auf den Zimmern, im Restaurant, überall hängen oder stehen ausgesuchte Werke. Interessierte Gäste können sich von Talita Swarts führen lassen.
„Die Sammlung umfasst mehr als 1000 Werke ab den 1820er Jahren bis zur Gegenwart“, sagt die Kunstexpertin. Es gibt Zeichnungen, Ölgemälde, Skulpturen der unterschiedlichsten Stilrichtungen. Brave Landschaftsansichten im traditionellen englischen Stil, gemalt von britischen oder niederländischen Einwanderern, finden sich ebenso wie abstrakte Werke. Zusammenfassende Klammer ist die Herkunft der Künstlerinnen und Künstler. Das teuerste Bild des Hauses stammt von Irma Stern (1894–1966). Trotz ihrer deutschen Herkunft ist die Schülerin von Max Pechstein hierzulande fast unbekannt. In Südafrika gilt sie als eine der bedeutendsten Malerinnen.
Am Schluss des Rundgangs geht es über eine organisch gewendelte Stahltreppe. Der Stil kommt einem irgendwie bekannt vor . . . „Gut beobachtet: ein Werk von Conrad Hicks, dem Schmied“, sagt Talita Swarts.
Anreise
Nach Kapstadt gibt es Direktflüge ab Frankfurt mit Lufthansa, www.lufthansa.com. Alternativ kann man mit Turkish Airlines via Istanbul fliegen, www.turkishairlines.com
Unterkunft Das Hotel Old Foundry befindet sich in einer alten Gießerei und hat dem Ort entsprechend industriellen Charme. DZ ab 200 Euro, www.oldfoundryhotel.com/ Das Dock House ist ein kuscheliges Boutiquehotel einen Steinwurf von der V&A Waterfront entfernt. DZ ab rund 500 Euro, https://newmarkhotels.com/
Das Höchste in Kapstadt: Im zu Relais & Chateaux gehörenden Hotel Ellerman House finden Genießer eine berückende Aussicht, Kunst wohin man sieht und dazu eine fantastische Küche von Chefkoch Kieran Whyte. DZ ab 700 Euro, www.ellerman.co.za.
Aktivitäten Bei Artroute kann man individuell zugeschnittene Kunstrundgänge buchen. Ein halber Tag kostet 150 Euro (pauschal für 1-6 Personen), ganzer Tag 325 Euro, www.artroute.co.za.Museum Zeitz Mocaa, geöffnet Do-So 10-18 Uhr, Eintritt 12,50 Euro, https://zeitzmocaa.museum/
Irma Stern Museum, geöffnet Mi-Fr 10-17 Uhr, Eintritt 3,30 Euro, https://irmasternmuseum.co.za/
Allgemeine Informationen Kapstadt Tourismus: www.capetown.travel, South African Tourism, www.deinsuedafrika.de.