Wenn er etwas macht, dann richtig. Halbe Sachen liegen Gerhard Petermann nicht. Nur ein paar Tage Radfahren, das können andere. Der langjährige Chef-Organisator des Bottwartal-Marathons sucht die großen Herausforderungen – und er hat sie einmal mehr gefunden.
Am 4. August brach der 58-Jährige gen Norden auf, am 30. August fuhr er wieder in der Schillerstadt ein. Dazwischen lagen exakt 3430 Kilometer, die Petermann auf seinem Fahrrad zurücklegte. „Das sind 30 Kilometer mehr als die diesjährige Strecke der Tour de France“, sagt der Marbacher mit gewissem Stolz, aber ohne zu prahlen.
Die Ehefrau kam auf die Idee
Auf die Idee einer solch großen Tour – die größte, die Petermann bislang gemacht hat – kam Christine Petermann. Seine Frau habe ein Buch gelesen, in dem jemand über eine Radtour von Berlin nach Göteborg berichtete, sagt Petermann. Der Reisebericht habe das Paar inspiriert und angespornt.
„Weil ich als Berufsschullehrer viel mehr Zeit in den Ferien habe als meine Frau, bin ich die erste Woche von Marbach nach Berlin alleine gefahren.“ In der Bundeshauptstadt stieß Christine Petermann dazu, von dort aus ging es dann zu zweit über Rostock zunächst nach Kopenhagen und weiter nach Göteborg. Sechs Tage rauf, fünf Tage runter.
Im Schnitt legte das sportliche Duo 127 Kilometer am Tag zurück. „Wir saßen fünf, sechs Stunden lang im Sattel“, erzählt Petermann. Pausen wurden an landschaftlich schönen oder interessanten Punkten gemacht. Allerdings nicht, weil die Puste ausging, denn körperlich angestrengt habe die Tour den leidenschaftlichen Sportler nicht. „Ich war abends meistens müde, aber nicht fix und alle.“ In Hamburg hat die Power nach der Tagesstrecke sogar noch zu einer Stadtrundwanderung gereicht.
Kein Wunder: Gerhard Petermann führt schon mehr als 100 Läufe (Marathon oder länger) in seiner persönlichen Statistik. Dazuhin bewegt sich das Paar gerne in der Natur und an der frischen Luft, beim Joggen, Wandern oder Radfahren. Für das nächste Jahr schwebt Petermann eine Tour nach Spanien vor. Die nördlichen Gefilde waren schön, aber seiner Frau habe die Sonne etwas gefehlt, erzählt der Marbacher und grinst. „Zu heiß war es nie“, sagt er. „Trotzdem hatten wir Glück mit dem Wetter. Wir sind nur zwei Mal nass geworden und eigentlich immer gegen den Wind gefahren.“
Mehr Rücksicht in Schweden
Was ihn am meisten beeindruckt oder überrascht hat auf der Reise? Der 58-Jährige muss nicht lange überlegen. Die Stille – manchmal haben die beiden meilenweit niemanden gesehen – und die Landschaft. „Ich habe viel fürs Auge mitgenommen“, sagt Petermann und lächelt. Gefallen habe ihm aber auch der Einklang der Verkehrsteilnehmer in Schweden. „Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer nehmen dort aufeinander Rücksicht. Als Radfahrer kann man in Schweden fast blind über eine Kreuzung fahren“, erzählt der leidenschaftliche Biker. In Dänemark wiederum hat dem Marbacher der Zustand der Radwege imponiert. „Da gibt es quasi keine Stoßkanten.“ Außerdem werde in den nordischen Ländern das Lastenrad viel mehr angenommen als hierzulande. „Es wird beispielsweise auch für Menschen mit Handicap genutzt.“
Das schönste Teilstück der Route? Für Gerhard Petermann der Vennbahnradweg. Dieser Fernradweg verbindet Deutschland, Belgien und Luxemburg. Es ist der längste grenzüberschreitende und zusammenhängende Rad- und Wanderweg Europas auf stillgelegten Eisenbahntrassen. „Du fährst da 60 Kilometer lang ohne auch nur eine Bodenunebenheit, die nicht geplant ist – kein einziger Schachtdeckel, keine Wurzel, nichts. Das war ein Gedicht“, gerät der 58-Jährige ins Schwärmen. In kritische oder gefährliche Situationen kam das Paar nie. „Ich hatte drei Platten, einmal ist eine Schraube abgerissen, aber keiner von uns ist gestürzt.“
Auf der Reise, erzählt der Marbacher, habe er versucht, die regionalen oder nationalen kulinarischen Spezialitäten für sich zu entdecken. „Abgenommen habe ich definitiv nicht.“ In Dänemark sei der Hotdog so etwas wie ein Nationalgericht. In Schweden gab es an fast jeder Ecke Bratwurst und Köttbullar. „Nur den Pfälzer Saumagen habe ich verweigert. Ich mag keinen Kümmel.“
Wieder in Deutschland setzte sich Christine Petermann in den Bus und fuhr gen Heimat. Ihre bessere Hälfte hängte noch einige Kilometer dran. Von Hamburg aus ging es nach Bremen und über das nördliche Ruhrgebiet nach Holland. Von dort aus streifte der 58-Jährige Belgien, Luxemburg und Frankreich, um über das Saarland, Rheinland-Pfalz und Hessen schließlich wieder nach Baden-Württemberg zu kommen. „Ich hatte am Ende der Tour alle 16 Bundesländer passiert.“ Und das mit relativ kleiner Satteltasche. Drei Kurzarm-, zwei Langarmshirts, eine lange Hose, zwei Paar Schuhe, Funktionskleidung zum Radeln und ein Ersatzhandy, mehr brauchte Gerhard Petermann nicht. Das heißt fast nicht. Denn ohne Süßis geht’s nicht. Doch die konnten glücklicherweise überall nachgefüllt werden.