Weinpanschen in Bordeaux, Hemingway-Ähnlichkeitswettbewerb in Key West, Radfahren am Neckar: Oliver Maria Schmitt versammelt seine Reisegeschichten in „Ich bin dann mal Ertugrul“.

Stuttgart - Die Käthchen-Stadt Heilbronn hat aus unerfindlichen Gründen traurigen Ruhm erlangt als einer von Deutschlands „Öden Orten“ in der Anthologie gleichen Namens von 2005. Allerdings hat Heilbronn auch bemerkenswert formulierfreudige Zeitgenossen in die Welt hinaus entlassen, man denke nur an . . . Aber schweifen wir nicht ab, sondern konzentrieren uns auf einen, den es nicht nur in die Welt, sondern immer wieder in deren wüsteste Gegenden hinaus getrieben hat (aber dazu später): Oliver Maria Schmitt, den ehemaligen „Titanic“-Chefredakteur und Urheber weithin gerühmter Musicals wie „I want to hold your Hendl“ sowie des von der Kritik gepriesenen Punkromans „Anarchoshnitzel schrieen sie“.

 

In den letzten Jahren lässt der unterdessen 49-jährige Schmidt eine gewisse Tendenz zu etablierter Bürgerlichkeit erkennen. Nicht nur, dass er eine politische Karriere bis zum bisherigen Höhepunkt eines 1,8-Prozent-Achtungserfolg als OB-Kandidat der Partei „Die Partei“ in seinem Wohnort Frankfurt am Main vorangetrieben hat. Auch journalistisch ist er nun hauptsächlich bei Legacy-Medien wie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, der „Zeit“ und „Geo Saison“ tätig. Dort sind die Texte ursprünglich erschienen, die jetzt der schmucke Band „Ich bin dann mal Ertugrul“ versammelt. Der Untertitel „Traumreisen durch die Hölle und zurück“ scheint kaum übertrieben.

Impalahoden zum Frühstück

So taumelt der Leser mit dem Autor durch Key West und den von Anfang an (mangels Ähnlichkeit) aussichtslosen Versuch, einen Stich beim Ernest-Hemingway-Ähnlichkeitswettbewerb zu machen, ringt nach Luft beim nur knapp verhinderten Ertrinkungstod des Verfassers in den Stromschnellen des Sambesi während eines Survival-Kanu-Abenteuers („Impalahodenfrühstück in der Waschmaschine“) und wird von Rührung übermannt, wenn plötzlich die leibhaftige Mutter des Berichterstatters ins Spiel kommt und sich von Udo Walz auf Malle einen flotten „Schwingbob“ schneiden lässt.

Die härteste der hier nachzulesenden Extremerfahrungen schildert der Beitrag „Verfettet, verschmutzt, versalzen“; Schmitt hat es tatsächlich unternommen, sich durch die „Negativliste“ besonders gesundheitsgefährdender Gastronomie-Betriebe des Bezirksamts Berlin-Pankow zu essen. Zuweilen wird der Reisende mit den eisernen Eingeweiden und den neun Leben der Katze mit magischen Momenten belohnt, so bei einer Reise durchs – jawohl! – Neckartal („Mit Wein und Twain auch ohne Floß was los“) oder beim von Anfang an (mangels Tangobegabung) zum Scheitern verurteilten Unterfangen, im mittsommerlichen Finnland die Geheimnisse des Lufttangos zu ergründen.

Für Freunde der gepflegten Island-Beschimpfung

Am lustigsten ist vielleicht die Titelgeschichte, Schmitts bemerkenswerter (von Anfang an aussichtsloser) Versuch, sich vom Kuchen des Buchmessen-Schwerpunkts Türkei wie dem des Bestseller-Booms Pilgerwesen sein Stück abzuschneiden: „In den Katakomben des Frankfurter Hofs ist die Stimmung merkwürdig ausgelassen, ja aufgepeitscht. Am Eingang zum Saal steht eine alte Frau. Es ist Ingo Schulze. Er lacht.“ Vielleicht ist es aber auch die Geschichte, wie Schmitt mal hochkarätige Spitzenweinproben in Bordeaux mit unkonventionellen Vorschlägen bereicherte.

Egal. Liebhaber der abschreckenden Reisereportage wie der gepflegten Island-Beschimpfung müssen Heilbronn zu großem Dank verpflichtet sein.

Oliver Maria Schmitt: Ich bin dann mal Ertugrul – Traumreisen durch die Hölle und zurück. Rowohlt Berlin. 240 Seiten, 16,95 Euro.