Der Meteorologe Jörg Kachelmann hält die weitverbreitete Empfehlung, bei Hitze die Fenster geschlossen zu halten, für falsch. Ganz so einfach liegen die Dinge aber nicht. Im Zweifelsfall sollte man selber ausprobieren, welche Strategie am ehesten hilft.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Jörg Kachelmann schwimmt gerne gegen den Strom. So auch beim Thema Lüften in Hitzeperioden. Während einschlägige Ratgeber – etwa vom Bundesgesundheitsministerium – empfehlen, nachts zu lüften und tagsüber alle Fenster geschlossen zu halten, hält der Wetterexperte das insbesondere bei älteren Menschen für lebensgefährlich. „Sie wollen erben? Dann raten Sie Ihren Lieben, am Wochenende die Fenster zu schließen“ lautete die provokative Überschrift eines Beitrags, den Kachelmann jüngst im „Spiegel“ veröffentlicht hatte.

 

Um die negative Wirkung des Nichtlüftens zu verstärken, solle man zudem feuchte Tücher in der Wohnung aufhängen, so Kachelmann – beziehungsweise dieses unterlassen, wenn man die Bewohner schützen will. Hier hat der Meteorologe auf jeden Fall einen Punkt. Denn feuchte Luft kann kaum noch zusätzliches Wasser aufnehmen. Das führt dazu, dass der Schweiß auf der Haut nur noch langsam verdunstet. Je weniger Schweiß wiederum verdunsten kann, desto schlechter funktioniert die dringend nötige Kühlung des Körpers durch Verdunstungskälte.

Es kommt nicht nur auf die Temperatur an

Entscheidend für den Hitzestress, dem wir ausgesetzt sind, ist nicht die Temperatur alleine, sondern auch die Luftfeuchtigkeit, wie Andreas Matzarakis vom Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst betont. Deshalb ist es wichtig, dass die Luft in Innenräumen nicht zu feucht wird. Man sollte also an heißen Tagen keine Wäsche in der Wohnung trocknen und die beim Kochen oder Duschen entstehende Feuchtigkeit durch kurzes Querlüften schnell wieder beseitigen.

Unstrittig ist auch, dass man in Hitzeperioden nachts intensiv lüften soll. Dadurch können Wände und Oberflächen in der Wohnung einen Teil der am Tag aufgenommenen Wärme wieder abgeben. Auf die Frage, ob und wie man bei Hitze tagsüber lüften sollte, gibt es dagegen keine einheitliche Antwort. Die meisten Fachleute empfehlen aber, die Fenster geschlossen zu halten, solange die Luft draußen heißer ist als drinnen. So lautet auch der Rat des Stuttgarter Stadtklimatologen Rainer Kapp. Zudem sollte man Rollläden oder Jalousien nutzen, um die Sonne abzuhalten. Eine Beschattung von außen bringe dabei am meisten, so Kapp. „Alles, was die Einstrahlung verringert, ist gut.“

Plädoyer für Ventilatoren

Sonnenschutz hält auch Kachelmann für wichtig, doch er rät dringend davon ab, tagsüber alle Fenster zu verrammeln – zumindest, wenn sich Menschen in der Wohnung befinden. Stattdessen empfiehlt er, Fenster so zu öffnen, dass ein leichter Durchzug entsteht. Dazu solle man am besten noch einen Ventilator auf höchster Stufe laufen lassen. Alles zusammen sorge für die dringend nötige Kühlung und halte die Luftfeuchte auf einem erträglichen Niveau.

Was also tun? Das hängt auch von Art und Lage der Wohnung ab. Im Erd- oder Gartengeschoss eines Massivbaus, wo es ohnehin nicht so warm wird, kann es sinnvoll sein, die Fenster geschlossen und die Hitze draußen zu halten – zumindest so lange, bis auch dort die Luft zu stickig wird. In einer Dachwohnung, die trotz Schattierung unerträglich heiß wird, kann es dagegen unter Umständen besser sein, die Fenster zu kippen und so für einen ständigen Luftzug zu sorgen sowie einen Ventilator auf hoher Stufe laufen zu lassen. Zudem sollte man nach Möglichkeit nicht gerade jene Fenster öffnen, die direkter Sonnenstrahlung ausgesetzt sind. Kleine und enge Wohnungen haben einen höheren Lüftungsbedarf als größere.

Wer unsicher ist, ob er in seiner konkreten Wohnsituation tagsüber lüften soll oder nicht, kann auch einfach ausprobieren, was besser ist. „Man kann zum Beispiel mit einem Temperatur- und Feuchtemessgerät prüfen, wie sich die Werte verändern, wenn man die Fenster aufmacht“, sagt Kapp.

Wenn Lüften keine Verbesserung bringe, sei es besser, die Fenster geschlossen zu halten und mit einem Ventilator für Luftbewegung zu sorgen. In einem Punkt allerdings stimmen alle Ratgeber überein: Wenn es heiß ist, sollten gerade ältere Menschen ausreichend trinken.