„Wir verlangen Hitzefrei“ – mit dieser Forderungen haben Schüler heute kaum noch Aussicht auf Erfolg. Warum das so ist – und welche anderen Möglichkeiten es gibt – lesen Sie hier.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Rems-Murr-Kreis - Wir protestieren auf allen Vieren, Schule ist ’ne Schweinerei, wir verlangen Hitzefrei“ – manch einer aus der jetzigen Generation von Eltern mag sich noch an diesen Vers erinnern. Doch dass Schüler mit dieser Forderung Erfolg haben, ist heutzutage äußerst selten.

 

Im Jahr 1975 hatte das baden-württembergische Kultusministerium bekanntgegeben, ein Schulleiter könne den Ausfall des Unterrichts nach der vierten Stunde anordnen – „an Tagen, an denen der Unterrichtserfolg nach den örtlichen Verhältnissen wegen drückender Hitze (Außentemperatur um 10 Uhr mindestens 25 Grad Celsius im Schatten) in Frage gestellt ist“.

Verlässliche Grundschule und Ganztagsbetreuung – der größte Feind von Hitzefrei

Der erste Dämpfer für diesen Schülertraum erfolgte im Jahr 1980: Damals wurde die Umstellung der Uhren auf Sommerzeit eingeführt, was dazu führte, dass die Sonne die 25-Grad-Marke weitaus seltener knacken konnte. Hinzu kommt: Die Entscheidung obliegt auch heute den Rektoren – und laut dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) Rems-Murr entscheiden sich Schulleiter immer seltener dazu, ihren Klassen Hitzefrei zu geben.

Der VBE-Pressesprecher Michael Gomolzig ist Rektor an der Grundschule in Remshalden. „Heute ist in der Regel kein früherer Schulschluss mehr drin“, meint er. Gründe seien die „verlässliche Grundschule“, die den Eltern eine Betreuung ihrer Kinder von sechs Stunden verspricht, und die Ganztagesschulen.

Kompromisse statt klassischem Hitzefrei sind möglich

Aber selbst an Grundschulen, die keine Ganztagsbetreuung anböten, seien die Rektoren in der Zwickmühle. Entließen die Lehrer ihre Schüler wegen der Hitze nach Hause, beschwerten sich Eltern, warum der Unterricht schon wieder ausfalle. Wenn ein Lehrer hingegen seine Schüler im Klassenzimmer behalte, würden ihm andere Eltern vorwerfen, er lasse die Kinder über den Büchern schwitzen.

All das muss aber nicht bedeuten, dass Schüler deswegen vor Hitze im Klassenzimmer oder der Sporthalle vergehen müssen: Kompromisse sollten jedem Lehrer möglich sein, betont Helmut Bauer, der Schulrat beim Schulamt Backnang ist. „Klassenarbeiten an extrem heißen Tagen kann man verschieben, und Sportlehrer könnten sich auf leichtere Übungen statt große Anstrengungen beschränken.“

Können Arbeitnehmer Hitzefrei bekommen?

Zahlen dazu, wie oft Schulen im Rems-Murr-Kreis im vergangenen Jahr Hitzefrei gegeben haben, existieren keine. „Aber ich selbst muss mich schon an meine eigene Kindheit zurückerinnern“, meint Bauer – klassische Hitzefrei-Fälle aus letzter Zeit seien ihm gar nicht mehr bekannt.

Nicht nur Schüler leiden unter der Hitze: Arbeitgeber sind ebenfalls verpflichtet, ihre Mitarbeiter vor Gesundheitsschäden zu schützen. Doch auch diese dürfen kaum auf „Hitzefrei“ hoffen – Chefs lassen die Räume lieber lüften, investieren in eine Klimaanlage, spendieren ein Eis, kühle Getränke oder bieten beispielsweise an, die Arbeitszeiten nach vorne zu verlegen.