Remstalkellerei in Weinstadt Überraschender Chefwechsel bei Weingenossenschaft

Martin Kurrle ist ab sofort neuer Geschäftsführer der Remstalkellerei. Foto: Lichtgut//Zweygarth

Martin Kurrle übernimmt die Verantwortung von Peter Jung. Grund sind unterschiedliche Auffassungen über die künftige Ausrichtung des Betriebs. Auf Kurrle warten besondere Herausforderungen.

Noch tiefer als manch andere Weingenossenschaft steckt seit einiger Zeit die Remstalkellerei mit Sitz in Weinstadt im weinwirtschaftlichen Schlamassel. Nach dem Scheitern der Neubaupläne im benachbarten Remshalden wegen abgesprungener Interessenten für den aktuellen und nach wie vor zur Disposition stehenden Standort mitten in Beutelsbach, vermeldet die Genossenschaft jetzt einen Wechsel in der Geschäftsführung. Der bisherige technische Betriebsleiter Martin Kurrle – einstiger Kopf des Collegium Wirttemberg in Stuttgart – übernimmt mit sofortiger Wirkung die Verantwortung für den Betrieb von Peter Jung. Dieser scheidet nach fünf Jahren als Geschäftsführer aus.

 

Unterschiedliche Auffassungen über Zukunft der Kellerei

„Das geschäftsführende Vorstandsmitglied der Remstalkellerei Peter Jung hat wegen unterschiedlicher Auffassungen über die künftige Ausrichtung der Genossenschaft gegenüber dem Aufsichtsrat den Wunsch geäußert, vorzeitig aus den Diensten der Genossenschaft ausscheiden zu wollen“, heißt es in der knapp gehaltenen Mitteilung zur überraschenden Personalie im Remstal. Der Aufsichtsrat sei diesem Wunsch „mit großem Bedauern“ nachgekommen, schreibt der Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Altenberger, ehemaliger Bürgermeister von Kernen und zeitweise Chef des Vereins Remstal Tourismus.

Der Aufsichtsrat bedanke sich für das „sehr große Engagement“ des scheidenden Geschäftsführers sowie die langjährige stets gute Zusammenarbeit zwischen ihm und den Organen der Genossenschaft. Als Nachfolger habe der Vorstand der Remstalkellerei Martin Kurrle mit Wirkung vom 18. August zum neuen Geschäftsführer bestellt.

Kurrle könne als Diplom-Ingenieur für Weinbau und Getränketechnologie auf eine jahrelange Erfahrung als leitender Önologe und geschäftsführender Vorstand in der genossenschaftlichen Württemberger Weinbranche zurückgreifen. In der Remstalkellerei mit dabei ist er bereits seit Herbst des vergangenen Jahres, bisher quasi in der zweiten Reihe als leitender Önologe und technischer Betriebsleiter.

Der Neue bringt Erfahrungen aus Uhlbach mit

Zuvor war der 58-jährige Uhlbacher der kreative Kopf der größten Stuttgarter Genossenschaft und nicht nur lange Zeit Kellermeister dort, sondern auch Vertriebs- sowie Marketingverantwortlicher und seit 2016 Geschäftsführender Vorstand. Anfang der 1990er Jahre hatte Kurrle die Geschicke des damals noch kleinen Kollektivs der Rotenberger Wengerter übernommen – mit einem Abschluss der Hochschule in Geisenheim zu Zeiten, als ein Önologie-Studium in Württemberg noch selten war. Er gilt als Perfektionist, und die Rotenberger tauchten denn auch früh neben der Weinmanufaktur Untertürkheim in Weinführern als empfehlenswerte Genossenschaft auf. Durch die Fusion mit den Uhlbachern wuchs der nun unter dem Namen Collegium Wirtemberg firmierende Betrieb auf 150 Hektar an.

Zusammen mit den Vorständen Friedhelm Illg und Thomas Wahler, so verkündet nun die Remstalkellerei, werde Kurrle „als Geschäftsführer unsere Genossenschaft vertreten und die gemeinsam gesteckten Ziele“. Der Vorstand der Remstalkellerei habe ihn direkt mit Wirkung vom 18. August an zum neuen Geschäftsführer bestellt.

Um jene gemeinsamen Ziele und den tauglichen Weg dahin sei es bei einer betriebsinternen Versammlung vor eineinhalb Wochen gegangen, berichtet dazu Stefan Altenberger. Dort seien intensiv alle möglichen Varianten diskutiert worden, die sich angesichts der problematischen wirtschaftlichen Situation der Kellerei und den gescheiterten Neubauplänen in Remshalden böten. Diese gingen offenbar von einem kompletten Wechsel zur Württembergischen Zentralgenossenschaft (WZG) samt Schließung der eigenen Produktions- und Vermarktungsstätten über Teilvermarktungsversionen bis hin zur Erhaltung des Status quo bei Verlagerung oder Teilverlagerung in die – dann natürlich entsprechende ertüchtigte – Kelter in Schnait.

Einst bis zu 900 Hektar Rebfläche

Klar sei, sagt Altenberger zu den Startbedingungen für den neuen Geschäftsführer: „Wir können die Masse nicht mehr am Markt unterbringen.“ Dies, obwohl die einst bis zu 900 Hektar umfassende Großgenossenschaft in den vergangenen Jahre bis auf knapp die Hälfte geschrumpft ist. Es gebe gute Weine, die müssten aber schlicht besser positioniert werden. Dies habe das Konzept mit dem Neubau und einer entsprechenden Neuausrichtung auch im Marketing und Vertrieb zum Ziel gehabt.

Angesichts der eigenen und der Gesamtsituation müsse die Remstalkellerei jetzt Jahr für Jahr schauen, wie sich der Plan mit geteiltem Standort entwickelt. Der Wille mitzuziehen, sei bei allen im Betrieb sensationell, sagt Altenberger: „Das macht Mut, weiter zu kämpfen.“

Was die Schnaiter Kelter angehe, sei im favorisierten Konzept mit variablem Rückgriff auf WZG-Kapazitäten in Ausbau und Vermarktung klar, dass die Kalter vor allem für die Traubenannahme technisch grundlegend ertüchtigt werden müsse. „Wir brauchen die moderne Technik, um die Qualität halten zu können“, sagt der Aufsichtsratsvorsitzende. Was den bisherigen Hauptstandort in Beutelsbach angehe, werde sich auch die Frage stellen, ob dieser möglicherweise teilweise nur vermarktet werden könne. „Eventuell an Interessenten, die sich das gesamte Gelände unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht zutrauen.“

Und das Traubengeld für diejenigen die für den Grundstoff aller Weine sorgen? „Wir haben noch gewisse Rücklage“, sagt Altenberger. Aber auch gestützt werde es sich wohl eher zwischen 40 und 65 Cent bewegen. „Wie nahe bei 40 das sein wird, lässt sich noch nicht sagen.“

Die Wurzeln der Kellerei und der Zentralgenossenschaft

Remstalkellerei
 Im Jahr 1942, so steht es in den Annalen, wurde die Genossenschaft im Schnaiter Lamm „in Zeiten höchster Not gegründet“. Nach einem verheerenden Fehlherbst hätten viele Wengerter vor dem Aus gestanden. Teil der Wahrheit, so sagt Archivar Bernd Breyvogel, sei aber auch, dass die Gründung 1940 vom alle Lebensbereiche beherrschenden Nationalsozialismus maßgeblich beeinflusst gewesen sei und zuvor bereits Ortsgenossenschaften bestanden.

WZG
 Die Geschichte der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft (WZG) reicht bis 1946 zurück. Damals kamen 45 Genossenschaften zu ihrer Gründung zusammen. Gemeinsames Ziel war es, Antworten auf neue Marktformen zu geben. Die tragenden Säulen, so heißt es auf der Internetseite, bildeten 10 000 Weingärtnerfamilien, die rund 70 Prozent der württembergischen Rebfläche bewirtschafteten. 

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