Die deutsche Rentenversicherung hat das Corona-Jahr gut gemeistert. Für 2022 wird ein Rentenplus von fünf Prozent erwartet – aber langfristig droht die demografische Schere.

Berlin - Die Pandemie mit ihren wirtschaftlichen Folgen hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) weniger gebeutelt als zunächst angenommen. „Übertriebene wissenschaftliche Krisenszenarien, wie sie für die Rentenversicherung am Beginn der Pandemie gezeichnet worden sind, waren unangebracht“, sagte die DRV-Vorsitzende Anja Piel am Mittwoch bei einem Presseseminar der DRV. Die Rentenversicherung profitierte vom Zusammenhalt der Institutionen in der Sozialversicherung, die finanziellen Folgen der grassierenden Kurzarbeit und der erhöhten Arbeitslosigkeit im Corona-Jahr 2020 waren durch Erstattungen der Rentenbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit abgefedert worden. Die tatsächlichen Beitragsausfälle durch Kurzarbeit hätten nur bei etwa 0,7 Prozent aller Beiträge gelegen.

 

Die Finanzlage ist gut

„Das Leistungsniveau und die aktuelle Finanzlage der Rentenversicherung sind gut, sie hat sich in der Pandemie als finanziell robuste Institution und Sicherheitsanker erwiesen“, so Piel. Von der Bundesregierung genannte Zahlen, wonach die Renten im Juli 2021 in Westdeutschland um 5,2 Prozent und im Osten um 5,9 Prozent steigen, sind von Piel im Trend bestätigt worden. Erst im März 2022 wisse man die genaue Anpassung, sie erwarte eine Rentensteigerung um fünf Prozent im Westen und „etwas mehr“ im Osten. Die günstige Entwicklung des Arbeitsmarktes in den letzten zehn Jahren habe steigende Beitragseinnahmen gebracht.

Kritik vom Arbeitgebervertreter

Zu einer Anmerkung vom Arbeitgebervertreter im Bundesvorstand der DRV, Alexander Gunkel, dass Renten eigentlich nicht stärker steigen sollten als Löhne, bemerkte Piel, dass es in den Folgejahren wieder zu Nullrunden und „einem milderen Anstieg“ kommen werde. Laut einem Entwurf des Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung ist laut Deutscher Presseagentur bis 2035 mit durchschnittlich 2,3-prozentigen Rentenerhöhungen im Jahr zu rechnen.

Im nächsten Jahr 3,5 Prozent mehr Beitragseinnahmen

Für 2021 erwartet die DRV immerhin einen Anstieg der Beitragseinnahmen um 3,5 Prozent, für 2022 und 2023 um jeweils 3,2 Prozent. Die hohen Zuwachsraten der Zeit vor Corona sind das aber nicht mehr. Für 2021 werden die Gesamteinnahmen auf 341,1 Milliarden Euro geschätzt, bei Ausgaben von 341,6 Milliarden ergibt sich ein „kleines“ Defizit von 500 Millionen Euro. 2019 war es viermal so hoch. 23,1 Prozent der Einnahmen stammen aus Bundesmitteln, die für beitragsfremde Leistungen wie die Mütterrente gezahlt werden.

Mehr Rentner pro Beitragszahler

Langfristig macht der DRV die demografische Entwicklung zu schaffen. Zwar wird das Rentenbezugsalter allmählich auf 67 angehoben, aber in Zukunft werden mehr Rentner auf 100 Beitragszahler entfallen. „Deshalb wird der Beitragssatz steigen müssen“, sagte Piel. Bis 2025 habe der Gesetzgeber eine Haltelinie gezogen, die den Beitragssatz – aktuell ist er bei 18,6 Prozent – auf 20 Prozent begrenzt. Noch bis 2023 rechnet die DRV mit einer guten Zeit: Der Beitragssatz werde sich halten lassen, das Rentenniveau werde noch steigen. „Nach 2023 fällt es nach geltendem Recht aber kontinuierlich zurück“, so Piel. Bis 2035 könnte der Beitragssatz auf 22,3 Prozent klettern, das Rentenniveau von jetzt 48 Prozent auf 45,7 Prozent sinken.

Mit der Liquidität könnte es ab 2025 eng werden

Mittelfristig hat die DRV eine andere Sorge: Die sogenannte Nachhaltigkeitsreserve liegt derzeit bei 1,55 Monatsausgaben, wird nach 2025 aber auf 0,2 Monatsausgaben abgeschmolzen. „Diese niedrige Rücklage könnte in einzelnen Monaten im Herbst zu Liquiditätsengpässen führen“, warnt Piel. Die Rücklage müsse deshalb erhöht werden.