Russland zweifelt an der Rechtmäßigkeit der neuen Führung in der Ukraine. Dennoch will der Kreml die bestehenden Verträge erfüllen.

Kiew - Russland hat Zweifel an der Legitimität der neuen ukrainischen Macht angemeldet. „Es gibt niemanden, mit dem wir dort sprechen können“, sagte Regierungschef Dmitri Medwedew am Montag über die Lage in der Ukraine. Und: „Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein.“ Einige ausländische Partner Russlands würden das zwar anders sehen, polterte Medwedew in Sotschi weiter, es sei jedoch eine Bewusstseinsstörung, das Ergebnis eines bewaffneten Aufstandes als legitim zu bezeichnen. Das zielte in Richtung EU, die den Machtwechsel bereits akzeptiert hat.

 

Aus russischer Sicht indes hat die Werchowna Rada – das ukrainische Parlament – mit der Entmachtung von Viktor Janukowitsch, der Einsetzung von Oppositionspolitiker Alexander Turtschinow als Interimspräsident und mit der Ausschreibung von Neuwahlen des Präsidenten am 25. Mai die von Janukowitsch und dessen Gegner unterzeichnete und von der EU vermittelte Vereinbarung verletzt. Medwedew hatte schon Ende vergangener Woche gewarnt, Russland könne den zuvor von Finanzminister Anton Siluanow angekündigten Kauf weiterer ukrainischer Staatsanleihen im Wert von zwei Milliarden Dollar verschieben. Derzeit sei nicht klar, wer in der Ukraine real die Macht habe, hieß es.

Berlin mahnt die Revolutionäre

Gestern in Sotschi kündigte er jedoch an, Russland werde trotz des Machtwechsels in Kiew jene mit Janukowitsch ausgehandelten Hilfsabkommen erfüllen, die rechtsverbindlich sind. Dabei handele es sich „nicht um eine Kooperation mit konkreten Personen, sondern um zwischenstaatliche Beziehungen“. Gemeint waren vor allem Preisrabatte für Gaslieferungen.

Aus Berlin kamen unterdessen mahnende Worte an die Adresse der Revolutionäre. Die jetzigen Verantwortlichen müssten bei der Zusammensetzung der neuen Regierung auch auf den Osten und den Süden des Landes Rücksicht nehmen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die neuen Machthaber in Kiew vor Rachegelüsten. Die künftigen politischen Führer müssten vielmehr die Eskalation der Gewalt stoppen, sagte der SPD-Politiker.

Die EU will mit Geld helfen

Zu Gesprächen über Hilfsmaßnahmen wurde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Kiew erwartet. Aus der EU-Kommission verlautete, die Europäische Union habe Kontakt mit den USA, Japan, China, Kanada und der Türkei aufgenommen, um Hilfen für die Ukraine zu koordinieren. Die Europäische Union könne eine Geberkonferenz organisieren, um kurzfristig Finanzhilfen bereitzustellen. Die EU hat der Ukraine bereits finanzielle Hilfe zugesagt, knüpft diese aber an Reformen. Aus EU-Kreisen verlautete jedoch, dass mit Hilfe nicht vor der für den 25. Mai geplanten Präsidentenwahl zu rechnen sei.

Unterdessen wird die katastrophale wirtschaftliche Lage des Landes immer deutlicher. Die seit Jahren ökonomisch schwer angeschlagene Ukraine benötigt nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Milliarden Euro) Finanzhilfen. Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der Europäischen Union, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow in Kiew. „Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren“, sagte Juri Kolobow. „Die Staatskasse ist geplündert, das Land ist so gut wie bankrott“, sagte Arseni Jazenjuk von der Partei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte die wirtschaftliche Lage in einer Ansprache an das Volk als „katastrophal“ eingestuft.