Das Konzert der Band Rhonda im Stuttgarter Club Cann zeigt eindrucksvoll, wie zeitgenössischer Soul aus Deutschland klingen kann. Schade, dass das nur 60 Zuschauer mitbekommen.

Stuttgart - Milo Milone und ihre vier Mitmusiker stehen bei ihrer finalen Zugabe inmitten des Publikums. Auch wenn am Donnerstag gerade 60 Zuschauer den Weg in den Club Cann in Bad Cannstatt gefunden haben, ist die Stimmung überschwänglich. Die Spielfreude der Gruppe Rhonda aus Hamburg und Bremen färbt auf das Publikum ab. Dessen Dankbarkeit wiederum spornt die Band an.

 

Der charismatisch-kauzige Leadgitarrist Ben Schadow wischt sich eine Schweißperle von der Stirn. Ein kurzes Durchatmen bei Schlagzeuger Gunnar Riedel und Keyboarder Offer Stock, dann stößt Bassist Jan Fabricius mit einer weiteren akustischen Gitarre dazu. Nach mehr als einer Stunde wunderbar stilsicher gespielten, schweißtreibenden Soul ist eine Unplugged-Version von „Hard Times“ der fulminante Schlussakkord eines begeisternden Konzerts.

„Das ist ein Song von Baby Huey, der viel bekannter sein müsste“, erklärt Milone einleitend. Was folgt, ist zum einen eine aufrichtige Hommage an die 1970 im Alter von 26 Jahren an Drogen verstorbene Soul-Hoffnung – zum anderen ist es ein locker leichtes Schaulaufen der enormen Stimmqualität der Sängerin. Unverstärkt zeigt sich Milo Milone hierbei nämlich gänzlich unaufdringlich als eine der großen Stimmen zeitgenössischen Souls in Deutschland.

Von Power Pop zu Northern Soul

Hervorgegangen aus der norddeutschen Mod-Band Trashmonkeys, verschob sich der Sound nach der Neugründung als Rhonda vom punkigen Power Pop hin zu perfekt gespieltem Northern Soul. Personell leicht verändert und verstärkt durch den ebenso profilierten wie versierten Hamburger Musiker Ben Schadow an der Gitarre sowie Jan Fabricius am Bass lässt sich ein Quantensprung hinsichtlich der musikalischen Fähigkeiten kaum leugnen. Entscheidendes Erfolgsrezept ist aber der Wechsel Milo Milones vom Bass an den Leadgesang. Ihre Stimme ist kraftvoll und weckt sofort Assoziationen zu den großen britischen Northern-Soul- und Girl-Pop-Wiedergängerinnen Duffy und Amy Winehouse. Gleichwohl sind Dusty Springfield und auch Etta James, deren wunderschönes „I’d Rather Go Blind“ formvollendet gecovert wird, ebenso wichtige Referenzen.

Die „Zeit“ kritisierte das Konzept als „netten Retrosoul in perfekter Kopistenmanier“. Ein Seitenhieb, der beileibe zu kurz greift. Denn mochte das Debüt-Album „Raw Love“ nach zu glatt produzierten Mainstream-Hochglanz-Soul klingen, beweist doch der Live-Test mühelos, wie leidenschaftlich diese Art Musik hier zelebriert wird.

„Ihr habt jede Menge Platz zum Tanzen“, ruft Milone schon früh – sie macht das Beste aus der geringen Zuschauerzahl. Die Lieder sind tanzbar und so werden bereits bei der Eröffnung mit „Take it back“, einer ganz typischen Northern-Soul-Nummer mit starken Harmonien, erste vorsichtige Tanzschritte gewagt. Die nehmen nach einigen charmanten Bitte der sympathischen Frontfrau mit langen, zum Pferdeschwanz gebundenen blonden Haaren, in adretter brauner Bluse zur schwarzen Hose kontinuierlich zu – bis schließlich ausgelassen getanzt wird zum Ska-Rhytmus von „Come With Me“ oder dem exzellenten Soul-Pop von „Terrible Lie“. Dieser Song weist regelrechtes Hit-Potenzial auf und hätte als Single neben den direkt danach gespielten, begeistert aufgenommenen „Camera“ und „My Thing“ gut funktioniert. „Work it out“ ist herrlicher Soul klassischer Machart, „Here Lies Love“ kommt mit einer durchaus hübschen Melodie daher. An anderer Stelle schimmern Ventures- und Surf-Gitarren und, ja, auch an Morricone erinnernde Italo-Western-Momente durch. Einnehmende Orgelklänge ergänzen den satten Sound.

Neue Stücke präsentiert

Es ist die letzte Tour mit dem Debüt. Im kommenden Jahr soll das Folgealbum erscheinen. In Stuttgart werden gleich drei neue Stücke vorgestellt: Punkten können vor allem „Paws“ mit seinem verschleppten Rhythmus und der düster jazzige Crooner „Doomsday“, der so Milone, die traurige Weltlage widerspiegle.

Für „That’s How I Roll“, den wohl gefälligsten Song des Debüts, bittet die Sängerin „so Teenager-Disco-mäßig“ die beachtliche Discokugel des Club Cann einzusetzen. Schadow, jene kolossale Erscheinung mit beachtlichem Vollbart und braunen Stetson, spielt eine angenehme Slide-Gitarre, während Milone mit rührenden Zeilen verzaubert. Die ersten Akkorde werden mit Zwischenapplaus bedacht. Ganz offensichtlich ist dem Publikum das Lied vertraut, was wenig überrascht. Denn letztes Jahr wurde es in der weihnachtlichen deutschen Kino-Komödie „Alles ist Liebe“ verwendet.

„Das nächste ist mein Lieblingslied auf unserer ersten Platte“, wird „I Need No Help“ angekündigt. Die ruhigen Strophen stehen hierbei im wohligen Kontrast zum wuchtigen Refrain. Milone spielt Gitarre, läuft zu stimmlichen Höchstleistungen auf, die im daran anschließenden Stück Bossa Nova gehalten werden können.

Als am Ende von „I Do“ mit ungeahnter Brachialität an die einstige Trashmonkeys-Ästhetik angeknüpft werden kann, zeigt Rhonda zudem ganz elegant, dass alle Vorwürfe, man habe die Wurzeln gänzlich gekappt, ins Leere laufen. Milo Milone kniet auf dem Boden, laute Rückkopplungen schallen durch den Raum, während nonchalant der Beweis geliefert wird, dass neben dem Wohlklang auch eine andere Tugend des Northern Soul gewahrt wird: nämlich echte Leidenschaft.