Die 14-jährige Margarita Kolosov vom SC Potsdam, die für Deutschland bei den Europameisterschaften startet, hat neben jeder Menge Talent und viel Ehrgeiz auch ihre komplette Familie an den Bundesstützpunkt in Schmiden mitgebracht.

Schmiden - Margarita Kolosov zählt zu den größten Talenten in Deutschland. An diesem Donnerstag reist die 14-Jährige vom SC Potsdam, die seit August 2016 am Bundesstützpunkt für Rhythmische Sportgymnastik in Schmiden bei Yulyia Raskina trainiert, mit Emeli Erbes (TSV Schmiden) ins Sportleistungszentrum Kienbaum. Das olympische und paralympische Trainingszentrum in Brandenburg gilt als Oase der Ruhe fernab von jeglichem Trubel. Dort sollen sich die beiden Juniorinnen in aller Ruhe auf große Aufgaben vorbereiten – mit zwei Trainingseinheiten pro Tag. Am Dienstag geht es dann von Berlin aus mit dem Flieger nach Madrid und von dort aus ins 53 Kilometer entfernte Guadalajara, wo von Freitag, 1. Juni, bis Sonntag, 3. Juni, die Europameisterschaften der Juniorinnen stattfinden.

 

Die Familie spielt ohnehin eine wichtige Rolle im Leben von Margarita Kolosov

Für Margarita Kolosov sind es die ersten großen internationalen Titelkämpfe, und sie hat sich was vorgenommen. „Ich möchte mindestens in ein Gerätefinale kommen und mich dort so gut wie möglich präsentieren.“ Wie die Zeiten sich ändern. Vor drei Jahren hat Margarita Kolosov, damals elf Jahre alt, beim Berlin Masters am Hintereingang der Max-Schmeling-Halle auf ihr Idol Margarita Mamun gewartet. „Ich habe ein Foto mit ihr gemacht, ihr gesagt, dass sie mein großes Vorbild ist, und sie meinte: Danke, mein Sonnenschein.“ Von Vorteil war, dass Margarita Kolosov die Sprache der Olympiasiegerin und Weltmeisterin aus Russland spricht, was sie ihrer russischstämmigen Familie verdankt.

Die Familie spielt ohnehin eine wichtige Rolle im Leben von Margarita Kolosov. Die 14-Jährige, amtierende fünffache deutsche Meisterin ihrer Altersklasse, ist nicht allein aus Potsdam nach Schmiden gekommen. Ihre ganze Familie – Mutter Julia, Vater Boris, Schwester Alissa, 15 Jahre, und Nesthäkchen Victoria, eineinhalb Jahre alt – lebt mittlerweile in dem Fellbacher Stadtteil. Mehr noch. Die ganze Familie bringt sich im Stützpunkt ein. Schwester Alissa hilft Diana Raupp, der Gymnastik-Abteilungsleiterin beim TSV Schmiden, bei den Nachwuchsgymnastinnen zwischen neun und 13 Jahren. Papa Boris, der selbstständig ist, steht als Fahrer zum Flughafen und zu Turnieren bereit. Mutter Julia ist die Fachfrau fürs Internet, die Flüge, Zugverbindungen, Hotels und mehr ausfindig macht. Nur Victoria hat noch keine Aufgabe übernommen, aber auch die Kleine fühlt sich im Stützpunkt schon daheim. Jedenfalls schläft sie seelenruhig im Gang vor den Umkleidräumen in ihrem Wagen, während um sie herum der übliche Betrieb herrscht.

Mittlerweile leben Oma Eleonore und Opa Aleksander auch hier

Dass die ganze Familie ihren Lebensmittelpunkt von Potsdam nach Schmiden verlegt, war eigentlich gar nicht geplant. „Als ich im August 2016 hierherkam, war nur meine Oma dabei, und wir haben in einem Gästezimmer im Großen Haus gewohnt. Ich habe auch darüber nachgedacht, ins Internat zu ziehen, aber dann habe ich gehört, dass dort oft der Kühlschrank leer ist“, sagt Margarita Kolosov, die in die achte Klasse des Gustav-Stresemann-Gymnasiums geht. Nicht nur deshalb entschieden die Eltern, mit den beiden Schwestern ins Schwabenland umzuziehen. Mittlerweile leben Oma Eleonore und Opa Aleksander auch hier, in einer Wohnung im gleichen Haus wie der Rest der Familie. Ums Essen muss sich Margarita Kolosov keine Sorgen machen. Oma kocht für alle. Vor allem aber ist Margarita Kolosov froh, dass sie ihre kleine Schwester Victoria aufwachsen sieht. „Das ist viel schöner, als sie nur auf Videos oder Fotos zu sehen.“

Dass sie ihre Liebsten um sich hat, gibt Margarita Kolosov Selbstvertrauen. Ehrgeiz besitzt sie ausreichend. Und Disziplin. Wesenszüge, die unausweichlich sind, bei einem Trainingspensum von sechs Einheiten pro Woche à fünfeinhalb Stunden. Gute Nerven hat Margarita Kolosov auch. Zumindest, wenn sie bei internationalen Turnieren gefordert ist. „Bei Wettkämpfen in Deutschland bin ich viel nervöser, denn da gucken so viele zu, die ich kenne“, sagt sie und kichert. Gute Aussichten mithin für die Europameisterschaften in Spanien.

Margarita Kolosov hat wieder ein Foto mit ihrer berühmten Namensvetterin aus Russland gemacht

Kurz vor den deutschen Meisterschaften, Anfang Mai in Berlin, von denen Margarita Kolosov mit Titeln im Mehrkampf und mit allen Geräten zurückkehrte, gab es übrigens ein Wiedersehen mit ihrem Idol. In München, beim Stützpunkt-Ausflug zur Filmpremiere von „Over the limit“, der Dokumentation über Margarita Mamun. Margarita Kolosov hat wieder ein Foto mit ihrer berühmten Namensvetterin aus Russland gemacht. An die Begegnung vor drei Jahren an der Hintertür der Max-Schmeling-Halle in Berlin konnte sich die Olympiasiegerin von Rio de Janeiro 2016 aber nicht mehr erinnern. Vielleicht sieht und hört Margarita Mamun bald noch mehr von ihrem Fan. Denn Margarita Kolosov, deren großes Ziel die Olympischen Spiele 2024 in Paris sind, schickt sich an, sich in ihrer Sportart auch international einen Namen zu machen.