Als Kretschmann & Strobl ist der Stuttgarter Kabarettist Mathias Richling zum Star im Netz geworden, wie es hierzulande nur Äffle & Pferdle geschafft haben. Wir sprachen mit ihm über grüne Ängste, Merkels Gefühlslage und seinen ersten Auftritt als Queen.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Vom 5. bis 14. Mai gibt der Stuttgarter Kabarettist Mathias Richling zehn Heimspiele im Renitenz-Theater, wo seine Karriere angefangen hat.

 
Herr Richling, sind Sie zu brav geworden?
Na hören Sie mal! Wie kommen Sie darauf?
Noch immer hat Erdogan Sie nicht verklagt.
Gerade habe ich ihn als Gnom der türkischen Politik dargestellt, der die „Mathias-Richling-Show“ torpediert. Die ganze Präsentation war bestimmt nicht charmant.
Trotzdem hat er nicht reagiert.
Das liegt vermutlich daran, dass er nur zuckt bei Verbalinjurien wie „Ziegenficker“.Was darüber hinausgeht an inhaltlicher Kritik, reicht wohl in seinem intellektuellen Spektrum nicht, dass er sich darüber empört.
Ist das deutsch-türkische Verhältnis noch zu retten? Worauf sollte die Kanzlerin beharren?
Erstens: nein. Und zweitens sollte Frau Merkel auf sich beharren. Oder, wenn Sie so wollen, auf uns. Oder auf Europa. Wahnsinnigen können Sie nicht begegnen mit psychologischen Tüfteleien oder diplomatischen Gepflogenheiten. Aber auch Erdogan ist vergänglich, weil er - was viele, die bei ihm unbegründet in Haft sitzen, bestreiten werden - menschlicher Natur ist. Solange er nicht vergangen ist, ist hier nichts zu retten.

Strobl sitzt, Kretschmann steht

Als Kretschmann & Strobl sind Sie ein Klickhit im Netz. Strobl sitzt immer, Kretschmann steht. Was sagt Herr Strobl dazu, dass er bei Ihnen einfältig und unterwürfig erscheint?
Er hat sich bisher nicht geäußert, und das ist auch nicht anzuraten. Das wissen kluge Politiker, dass sie gegen Satire und punktuelle Darstellung ihrer Person in der Öffentlichkeit nichts machen können. Insofern ist er in diesem Punkt nicht einfältig. Ich stelle ihn ja auch nur so dar, wie er mir im Kontakt mit meinem Ministerpräsidenten erscheint.
Für die Grünen wird – obwohl sie Kretschmann haben – bei Umfragen die Luft so dünn wie bei Feinstaub in Stuttgart. Schaffen es die Grünen im Herbst in den Bundestag?
Ich bin kein Prophet und auch kein Demoskop, was oft das gleiche ist, wenn man die realen Zahlen nach einer Wahl vergleicht mit den vorher veröffentlichten Prognosen. Aber es gibt in Ihrer Frage ohnedies einen Bruch: Haben die Grünen wirklich Kretschmann? Oder hat ihn nicht vielleicht eher Frau Merkel? Oder hat ihn bald Herr Strobl? Wie grün ist Kretschmann? Assoziieren die Wähler beide als eine Einheit?
Um die Fragen mit Ihren Worten zu stellen: Wie Kretschmann sind die Grünen noch?
Wenn man sich bestimmte Parteitagsbeschlüsse der Grünen anschaut, ist der Anteil Kretschmann an den Bundesgrünen nicht sehr hoch. Kretschmann allein würde es haushoch in den Bundestag schaffen. Das wissen die Bundesgrünen. Wenn sie Kretschmann-Ideen abwählen (zum Beispiel Ablehnung der Vermögenssteuer), muss man letztendlich die Frage stellen: Wollen die Grünen überhaupt in den Bundestag?

Der First Father der USA

Martin Schulz hat neuerdings das Image des Scheinriesen. Was raten Sie ihm?
Ich mach mir doch nicht meine Arbeit als Satiriker kaputt, indem ich Politiker berate. Außerdem hat Martin Schulz einen hervorrragenden Ratgeber: das deutsche Grundgesetz, aus dem er pausenlos seine Forderungen abschreibt. Alle sollen ein Recht haben auf Arbeit, Mann und Frau sollen gleich sein, es soll keine Ungerechtigkeit geben, die Würde des Menschen soll unantastar sein – alles Forderungen, die so uralt sind wie die Vorstellungen von Schulz. Aber deswegen kommt er uns ja so bekannt vor.
Die Kanzlerin hat mit der „First Daughter“ der USA in Berlin ein Riesenbohai veranstaltet. Wie sehen Sie das als Mann: Ist die Emanzipation geglückt, wenn man es als Papas Tochter so weit bringt?
Die Frage ist eher: Ist die Emanzipation des Mannes geglückt? Wie weit ist mit Trump, dem First Father, die Gleichberechtigung des Mannes in den Hintergrund gerückt? Wer kann ihn als Mann noch ernst nehmen?
Waren beim Spektakel um Ivanka unerfüllte Muttergefühle von Frau Merkel im Spiel?
Dies können wir mit Sicherheit ausschließen, da Frau Merkel generell Gefühle nicht für sachdienlich hält.
Vor 20 Jahren haben Sie Ihre Sendung „Zwerch trifft Fell“ gestartet. 20 Jahre hat es gedauert, bis es die Queen in Ihre Show geschafft hat. Warum ist sie erst jetzt kabaretttauglich?
Ich hatte bisher keine Gelegnheit, der Queen Audienz zu gewähren. Andere, vor allem deutsche Politiker haben sich ungebührlicherweise permanent vorgedrängt.
Was erwartet uns im Renitenz-Theater?
Na, alles, was das Publikum im Moment umtreibt: der Brexit und die Queen, Erdogan und Trump, Schäuble und die Finanzen, Merkel und ihr Verhältnis zur klaren Sprache. Martin Schulz und der neue Präsident Steinmeier. Und immer die Frage, wie sind wir dahin gekommen, wo wir jetzt sind?
Hört sich nach einem neuen Programm an.
Es ist zu etwa 60 Prozent aktualisiert. Und da man sich an die anderen Prozent meistens nicht erinnert, ist das Programm selbst für jemanden, der meint, es schon mal gesehen zu haben, komplett neu.
OB Kuhn hat gesagt, dass der Aufstieg des VfB für Stuttgart „extrem wichtig“ ist. Was meinen Sie, was noch wichtiger für die Stadt wäre?
Der Abstieg. Sie wissen: aus der Niederlage entstehen viel ungeheurere Kräfte als aus dem Erfolg. Aus der Negation ein ganz anderer Zusammenhalt. Wir erleben es gerade in Europa: Alles nörgelt – meist zu Recht - an diesem Europa. Aber kaum erkennen wir am Brexit oder an den Hasstiraden gegen Europa von Erdogan und auch Trump, was wir ohne Europa wirklich wären, gibt es überall Demonstrationen pro Europa.

Die „Schlafattacken“ des Ministerpräsidenten

Herr Kretschmann hat bei „Beckmann“ gestanden dass er gegen „Schlafattacken“ bei Sitzungen kämpfen muss. Ist das ein Zeichen, dass er sich langsam zur Ruhe setzen sollte?
Nein, im Gegenteil. Schlaf ist das einzige Mittel , um Sitzungen und ewiges Gerede aller Besserwissenden darin, gesund zu überstehen. Wenn er sich dazu bekennt, weiß man, dass er den richtigen Modus gefunden hat, noch lange im Amt bleiben zu können.
Wann gönnen Sie sich Ruhe? Aber Sie sollten es – Ihren Fans zuliebe – nicht zu früh tun!
Danke schön. Aber wenn ich auf der Bühne bin oder schreibe und das loswerde, was mich an der Politik so erregt, dann hab ich ja Ruhe. Meine Arbeit ist ja meine Entspannung. Und wenn ich jetzt nicht vom 5. bis 14. Mai im Renitenz-Theater spielen würde, hätte ich im Mai gar keinen Urlaub.
„Richling spielt Richling“, 5, bis 14. Mai, Renitenz-Theater, jeweils 20 Uhr (außer sonntags, da beginnt die Vorstellung um 19 Uhr). Kartentelefon: 0711/ 29 70 75. Im Netz: www.renitenztheater.de.