Amtlich ist noch nichts, aber der Verdacht, dass die Risse an 80 Böblinger Häusern von Geothermiebohrungen verursacht wurden, erhärtet sich. Rund 19 Bohrungen sollen spätestens von Anfang 2014 an überprüft werden.

Böblingen/Freiburg - Erdwärmebohrungen werden als Ursache für die Schäden an 80 Häusern in Böblingen immer wahrscheinlicher. „Es verdichtet sich auf Geothermie“, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes vor einer Info-Veranstaltung an diesem Freitag. Amtlich sei es allerdings noch nicht, da man noch keine Bohrlöcher gefunden habe, durch die Wasser in den Gipskeuper dringt und den Boden zum Aufquellen bringt. Rund 19 Bohrungen sollen spätestens von Anfang 2014 an überprüft werden. Erst wenn der Verursacher feststehe, lasse sich sagen, wer für die Schäden aufkommen müsse.

 

Die Häuser sind unterschiedlich stark betroffen. Einige haben so viele und so große Risse, dass die Besitzer bereits um die Sicherheit ihrer Rohre und die Tragfähigkeit der Wände bangen. Bei Dieter Eger etwa driften Haus und Anbau auseinander. In Decken, Wänden und Böden klaffen Risse von bis zu drei Zentimetern. In einigen Räumen gehen sie bereits rundum. Der Keller sei in zwei Teile gerissen, sagt Eger. Keine 100 Meter von seinem Haus entfernt sei ein Erdwärme-Bohrloch. Informiert worden sei er über die Bohrung damals nicht.

Bohrlöcher aus den Jahren 2006 bis 2008

Die rund 19 Bohrlöcher liegen laut Landratsamt in der Nähe geschädigter Häuser. Sie seien in der Zeit von 2006 bis 2008 in privatem Auftrag gebohrt worden, und zwar alle von einer Firma. Ein Sprecher des Umweltministeriums machte deutlich, dass neue Leitlinien für Geothermiebohrungen seit 2012 vorgeben, wie die Arbeiten ausgeführt werden müssen und welche Versicherungen die Firmen für Schadensfälle abzuschließen haben. Doch die Böblinger Bohrlöcher sind älter, „was die Lage der Geschädigten insofern schwierig macht“.

Gebäudeschäden nach Geothermiebohrungen im Gipskeuper gab es laut Landesamt für Geologie bereits etwa in Schorndorf, Rudersberg, Leonberg, Rottenburg und - vor allem - Staufen im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald. Dort sind nach Auskunft von Amtsleiter Ralph Watzel bislang rund 250 Häuser betroffen. Das Umweltministerium spricht von 50 Millionen Euro Schaden.

Ein Bohrloch sei in Staufen sicher als undicht festgestellt worden, bei zwei weiteren sei es noch nicht ganz klar, sagte Watzel. Die Erde hebe sich noch immer, um rund zwei Millimeter pro Monat. Zur heftigsten Zeit waren es elf Millimeter. „Wie lange das dauern wird, lässt sich nicht sagen.“ In Böblingen sei die Bodenhebung nach bisherigen Erkenntnissen ungefähr so stark wie in Staufen, die betroffene Fläche aber wohl größer.

Gipskeuper ist vor allem im Süden Deutschlands stark verbreitet. Er kann mit Anhydrit durchsetzt sein. Bei Kontakt mit Wasser bildet sich Gips und der Boden dehnt sich aus. Unter natürlichen Umständen dauere dies Jahrmillionen, erklärte Watzel. Wenn jedoch durch den Menschen ungewöhnlich viel Wasser ins Gestein gelange, gehe es manchmal rasant. Besonders kritisch seien Bohrungen zwischen Gipskeuper und Muschelkalk. In allen betroffenen Orten seien diese Schichten durchbohrt worden.

Das Umweltministerium fordert im Erneuerbare-Wärme-Gesetz den Ausbau umweltfreundlichen Heizens und setzt dabei auch auf Erdwärme. Die Bohrungen seien nicht generell unsicher, hieß es. „Stand Juli 2013 gab es in Baden-Württemberg rund 30.000 Erdwärmebohrungen und sechs Schadensfälle, das heißt Schäden an Häusern (unbeteiligter) Dritter.“ Watzel sagte aber: „Das Risiko ist vorhanden. Wir sprechen uns für eine standortspezifische Tiefenbegrenzung aus. Das ist vielleicht rigide, aber absolut sicher.“