Mit 18 Jahren war er ein umschwärmter Teenie-Filmstar. Der Schauspieler Robert Stadlober hat sich aber nicht verheizen lassen. Deshalb kann der 31-Jährige heute das Theater spielen, das er für relevant hält.

Stuttgart - Neulich im Stuttgarter Theaterhaus: Robert Stadlober hat in Ibsens Drama „Gespenster“ den verlorenen Sohn gespielt, verzweifelt an der Gitarre zupfend. Jetzt ist Premierenfeier, zufriedene Gesichter, ein heiterer Sommerabend. Der Abend ist noch lange nicht zu Ende, aber Stadlober ist im Aufbruch. Er geht nicht, bevor er nicht jedem Beteiligten ein Premierengeschenk überreicht hat. Der Produktionsleiter bekommt auch einen roten Stern zum Anstecken und eine handgeschriebene Karte mit einem Gedicht von Erich Mühsam. Ein kurzer Gruß, ein schneller Abschied. Die Haare sind noch toupiert von der Rolle, Stadlober schultert seinen schwarzen Rucksack und verschwindet in der Nacht.

 

Der Teenieschwarm der Jahrtausendwende ist heute 31 Jahre alt. Mit 18 hatte er seinen Durchbruch als Hauptdarsteller in „Crazy“. Der Kinofilm hat damals Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert. „Seitdem kann ich regelmäßig arbeiten, und Leute interessieren sich dafür, was ich tue“, sagt Stadlober heiter. Der blonde Berliner hat die Irrungen und Wirrungen eines Teenagers mit gelähmtem Arm so großartig gespielt, dass sich manche fragen, ob Stadlober, der Darsteller von Außenseitern, von nachdenklichen und schrägen Typen, nicht der Schauspieler mit der Behinderung ist.

Verwechslung von Rolle, Image und Leben

Die Verwechslung von Rolle, Image und Leben hat System im Showbusiness. Stadlober hat sich schon früh in diese Welt begeben. Er war als Kind Synchronsprecher, hat mit 13 seine ersten Filme gedreht und Theater gespielt. Nach der siebten Klasse haben ihn seine Lehrer an der Waldorfschule vor die Wahl gestellt: Schule oder Filme. Stadlober hat nicht lange überlegt. Und seinen Mitschülern zum Abschied ein Plakat mit einem roten Stern gemalt. Die wussten, wie er das meint, kannten seine Sympathie mit der Antifa. Die Lehrer haben sich gefreut, dass der Junge wenigstens etwas von der anthroposophischen Lehre mitgenommen hat – den Fünfstern als Symbol des Menschen.

Stadlober erzählt das amüsiert, aber nicht hämisch und schon gar nicht bitter. „Ich habe die ersten Jahre dort sehr genossen. Aber ich habe keinen Tag bereut, dass ich die Schule abgebrochen habe. Ich brauche meine Freiheiten. Und das war damals nicht mal in einem System wie der Waldorfschule möglich.“ Dann hat er mit 16 in „Sonnenallee“ den Wuschel gespielt. Das eigene Geld, die erste eigene Wohnung, Stadlober erzählt schnell. Selbstironie ist die Begleitmelodie vieler seiner Sätze, was ihn sehr sympathisch macht.

„Nicht wilder als andere Teenager“

„Es ist mein Beruf, mit Menschen zu sprechen. Ich rede gerne über die Geschichten, die ich als Schauspieler erzähle“. Eine Zeit lang war er für die Medien vor allem als Projektionsfläche interessant. Als junger Wilder, als Bühnenrebell, als pöbelnder und partymachender Teeniestar. „Ach, ich war nicht wilder als andere Teenager. Ich habe mich eben ausprobiert und meine Grenzen getestet. Wie man das eben macht, nur dass ich unter öffentlicher Beobachtung stand. Aber ich hatte nie Drogenexzesse, ich habe nie einen Tag bei Dreharbeiten gefehlt. Da bin ich eher ein preußischer Arbeiter“, so Robert Stadlober über seine wild-normale Jugend.

Manche verbrennen sich am frühen Ruhm. Lodern kurz auf, werden verheizt, verglühen wie Sternschnuppen. Stadlober hat die Kurve gekriegt. Er hat sich nie die Deutungshoheit über sein Leben abnehmen lassen und wusste früh , was er will. Und vor allem, was nicht. „Ich wollte nie eine Boygroup sein, ich wollte nicht aufs Cover der ,Bravo‘. Das war karrieretechnisch vielleicht dumm, aber für mich und mein Leben richtig. Ich wäre kein glücklicher Mensch geworden, wäre ich in dieser Maschinerie geblieben.“

Wandel als Lebenselixier

Eine der Konstanten in Stadlobers Künstlerexistenz ist der Wechsel. „Ich habe schon als Kind gerne bei anderen übernachtet“, erinnert er sich. „Ich finde mein Leben woanders immer wieder neu und muss manchmal mit meinem System brechen.“ Geboren ist er in Kärnten, nach der Trennung der Eltern kam der Umzug nach Berlin, der frühe Ruhm, der Umzug nach Hamburg, Barcelona, Wien, wieder Berlin. Und immer ein Leben aus dem Koffer. Während der Probenzeit für die Stuttgarter „Gespenster“ hat Stadlober in Wangen gelebt und ist mit dem Fahrrad zu den Proben gefahren. „Ein Dorf mit verblassender Arbeiterpatina und Weinbergen – sehr schön zum Spazierengehen.“

Immer im Gepäck sind seine Gitarre und ein paar Bücher. Gerade sind es die Gedichte von Thomas Brasch, die er immer wieder liest. Er will sich jedoch nicht als Exempel verstehen, er will weder ein Modell für Schulabbrecher sein noch ein intellektuelles Vorbild. Schon das Wort Künstler kommt Stadlober schwer über die Lippen. Er spricht lieber von der Künstlerexistenz. Stadlobers Freiheiten sind Selbstbestimmung und die Fähigkeit, mit wenig auszukommen, um sich die interessanten Projekte aussuchen und leisten zu können. Für einen 31-Jährigen ist seine Filmografie ziemlich lang, meistens Kino, auch beim „Tatort“ war er schon dabei. Im Sommer dreht er mit Volker Schlöndorff in Paris.

Die Wut kommt auf die Bühne

Stadlober probiert sich in viele Richtungen aus. Seit Jahren spielt er in der Indie-Rockband Gary, seit 2007 betreibt er in Wien ein eigenes Plattenlabel mit „zwei sozialversicherungspflichtigen Angestellten“, erzählt er mehr augenzwinkernd als stolz. Und er schreibt an einem Buch. Obwohl er sich schon manchmal den Mund verbrannt hat: wenn Stadlober gefragt wird, dann äußert er sich auch politisch, und zwar weit links vom Mainstream. Ein Talkshow-Kaspar will er nicht sein, aber „die Haltung zur Welt, die interessiert mich auch bei anderen Schauspielern und Musikern“. Stadlober kann sich in Rage reden, wenn er an die Perspektivlosigkeit der jungen Erwachsenen in Griechenland oder Spanien denkt. Wohin mit der Wut? „Auf die Bühne natürlich, wohin sonst.“ Robert Stadlober kennt keine kurzen Antworten, aber viele lange Fragen, die er weiter formulieren will.