Frauen auf der Suche nach dem Glück, dominante Männer: ARD und ZDF vermitteln in ihren Fernsehfilmen konservative Rollenbilder. Aber wer könnte es ändern?

Stuttgart - Jahrelang hat man sich selbst in der ARD hinter vorgehaltener Hand über die „Süßstoff-Ware“ am Freitag mokiert. Seit eineinhalb Jahren geht die ARD-Tochter Degeto einen anderen Weg. Die Stoffe sind lebensnäher, die Darsteller jünger, die Umsetzungen flotter. Eins allerdings, sagt eine ARD-Fernsehfilmchefin, die namentlich nicht zitiert werden möchte, habe sich nicht geändert: „Viele Degeto-Filme sind nach wie vor frauenfeindlich. Bloß die Verschleierung ist raffinierter geworden.“ Ohnehin werde in fast allen Drehbüchern ein „traditionelles Lebensmodell“ propagiert. Die Redakteurin beklagt, dass allein die Zweisamkeit als erstrebenswert dargestellt werde: „Es wird nicht vermittelt, dass auch für Frauen ein selbstbestimmtes Leben jenseits von Partnerschaft möglich ist.“

 

Die SWR-Fernsehfilmchefin Martina Zöllner sieht die Schuld dafür bei den Autoren. Gerade in den von Männern erzählten Geschichten vermisst sie Realitätsnähe, etwa bei den Darstellungen älterer Frauen: „Das typische Bild zeigt eine patente, mütterliche und pragmatische Frau, die sich ihr Leben lang für Mann und Kinder aufgeopfert hat und nun im Stich gelassen wird. Die Alternative ist die Hippie-Oma.“ Sie hält das Frauenbild im Fernsehfilm generell für viel zu eindimensional, weil „es sich zu wenig an der Varianz weiblicher Lebensentwürfe orientiert. Es dominieren die Klischees.“ Erfolgreiche Frauen wirkten häufig „kaltherzig, sozusagen als der härtere Mann.“ Außerdem gebe es zu wenig Frauen in typischen Männerberufen.

Filme als Spiegel der Gesellschaft

Barbara Buhl, die Leiterin der WDR-Programmgruppe Fernsehfilm und Kino, warnt jedoch davor, „heranwachsenden Frauen filmische Vorbilder vorzusetzen, denen sie nacheifern sollen.“ Sie hält nichts davon, öfter Naturwissenschaftlerinnen zu zeigen, damit mehr Frauen die entsprechenden Berufe ergreifen: „Ich sehe die Gefahr, dass man ins entgegengesetzte Klischee verfällt.“

Eine ähnliche Haltung vertritt die Autorin Barbara Sichtermann, die sich in vielen Veröffentlichungen mit dem Wandel der Rollenbilder befasst hat. Für sie ist das fiktionale Fernsehprogramm ein Spiegel der Gesellschaft, weshalb es „auf keinen Fall versuchen sollte, die Emanzipation der Frau voranzutreiben oder Mädchen dazu zu animieren, bestimmte Berufe zu ergreifen.“ Es wäre der Autorin sogar peinlich, „wenn Redaktionen verkrampft versuchen würden, emanzipative Frauenbilder zu konstruieren.“

Sie räumt zwar ein, dass Filme und Serien vermutlich „einen Überhang von traditionellen, konservativen Frauenbildern“ enthielten, aber es gebe auch „sehr avancierte Entwürfe von Frauen, die einen großen beruflichen Ehrgeiz entwickeln – wie im Leben eben auch.“

Die Kritik am Rollenbild zielt vor allem auf die beiden Frauenfilmsendeplätze freitags im Ersten und sonntags im Zweiten. Sie wird von den verantwortlichen Frauen jedoch energisch zurückgewiesen. Mit den Freitagsfilmen, sagt Degeto-Chefin Christine Strobl, „wollen wir die unterschiedlichsten Lebenswirklichkeiten abbilden und Menschen in all ihren Facetten zeigen. Das umschließt auch die verschiedenen Rollen, die Frauen in unserer Gesellschaft spielen. Als Beleg lässt sich praktisch jeder Freitagsfilm der vergangenen Monate anführen.“

Heike Hempel, die Leiterin der unter anderem für das „Herzkino“ zuständigen ZDF-Hauptredaktion Fernsehfilm/Serie II, weist darauf hin, dass die Hauptfiguren von Sonntagsreihen wie „Rosamunde Pilcher“, „Inga Lindström“ und „Katie Fforde“ unter anderem Anwältinnen, Ärztinnen und Pilotinnen seien: „Sie haben Wünsche, Sehnsüchte, soziale Beziehungen und berufliche Ziele, nach denen sie streben.“ Dem hält Sichtermann allerdings entgegen, dass „die Frauen zwar tolle Berufe ausüben, aber trotzdem geht es ihnen letztlich um die Suche nach dem richtigen Mann – der Beruf findet nur im Hintergrund statt.“

Und wer rügt männerfeindliche Filme?

Andererseits könnte man einige der ARD- und ZDF-Frauenfilme sogar als männerfeindlich bezeichnen. Die Degeto-Produktionen „Besser spät als nie“, „Mutter auf Streife“ und „Sophie kocht“, alle aus diesem Frühjahr, erzählen von Müttern, die nach ein, zwei Jahrzehnten als Hausfrau endlich auf eigenen Füßen stehen wollen. In allen drei Fällen haben die Männer Probleme mit der Selbstverwirklichung ihrer Frauen und werfen ihnen vor, das familiäre Glück zu zerstören. Auch „Eine wie diese“ (ZDF) passt scheinbar in dieses Muster: Eine junge Frau arbeitet gegen den Willen ihres Vaters und ihres Verlobten bei der Polizei. Die Geschichte spielt allerdings Mitte der Siebziger, die Heldin steht also für ein modernes Rollenbild.

„Eine wie diese“ ist eine Produktion von Ziegler-Film. Das Unternehmen hat in den vergangenen vierzig Jahren rund fünfhundert Filme hergestellt. Darunter sind allein an die fünfzig leichte bis seichte Melodramen mit Christine Neubauer, etwa die ARD-Heimatfilmreihen „Die Landärztin“ oder „Im Tal des Schweigens“. Regina Ziegler versichert jedoch, sie fühle keine Mission, bestimmte Frauen- oder Männerbilder zu propagieren: „Mein Ziel ist, dass die Geschichte dem Publikum gefällt. Wenn ich mir meine Produktionen ansehe, sehe ich keine Schlagseite. Weder werden bestimmte Frauenbilder verherrlicht noch diskriminiert. Es gibt nur gute und schlechte Geschichten.“