Kampf um die Spitze: In den WM-Qualifikationspartien gegen Kasachstan könnte der Dortmunder Mario Götze ganz vorne spielen. Gegen eine Versetzung in die Spitze stemmt sich der 20-Jährige nicht.

Stuttgart - Der gläserne Stehtisch sollte wohl eine gewisse Gelassenheit symbolisieren. Mario Götze nahm die Idee jedenfalls dankbar an, nach der die Pressekonferenzen für die deutsche Nationalmannschaft nicht mehr von einem Podium aus abgehalten werden. Neuerdings gestaltet der Deutsche Fußball-Bund (DFB) eigens seinen Sepp-Herberger-Raum in der Frankfurter Verbandszentrale für die Zusammenkunft mit den Medienvertretern aufwendig um, damit eine lockere Atmosphäre wie in einer Lounge aufkommt. Der flinke Dribbler aus Dortmund hüpfte in seinen neongelben Turnschuhen und der offenen Trainingsjacke auf die Bühne, um die Fragen vor dem WM-Qualifikationsspiel-Doppelpack gegen Kasachstan zu beantworten.

 

Wie denkt der Filigrantechniker Götze über den für die erste Partie am Freitag (19 Uhr/ZDF) in Astana ausgelegten Kunstrasen? „Ich habe in der Jugend ja oft auf Kunstrasen gespielt. Es gibt keine Unebenheiten, temporeicher Fußball ist also möglich.“ Was sagt der Feingeist Götze über eine mögliche Versetzung in den Sturm? „Das ist abhängig vom Trainer. Mit dem spielenden Neuner sind wir auf jeden Fall sehr flexibel.“

Bei der Spielersitzung am Dienstagvormittag in der Frankfurter Villa Kennedy hat Joachim Löw seine Spieler in die grundsätzlichen Pläne für den Rest der WM-Qualifikation eingeweiht. Und das Faible des Bundestrainers ist verbürgt, mit dem Überangebot an technisch perfekten Dribblern und Tricksern dem Mangel an technisch starken Zentrumsangreifern und durchsetzungsstarken Stoßstürmern zu begegnen. „Ich beschäftige mich schon lange mit dem Gedanken, dass Spieler abwechselnd in die Spitze stoßen“, sagt Löw, dem mit dem gelbgesperrten Dortmunder Marco Reus allerdings eine Offensivoption fehlt.

Der BVB-Edelstein hätte nichts gegen eine Versetzung

Der große, bullige Zentrumsstürmer – von denen es mit Mario Gomez unter den 20 Akteuren im Aufgebot nur einen gibt – sei gar nicht mehr notwendig, so Löw, sondern „kleine, wendige Spieler, die auf engstem Raum die richtigen Lösungen finden und den manchmal etwas unbeweglichen Spielern in der Innenverteidigung Probleme bereiten.“ Wie der 1,76-Meter-Mann Götze. Der BVB-Edelstein hat bisher in 79 Bundesliga- und 20 Länderspielen zumeist Brillantes am Ball als hängende Spitze, Spielmacher oder Außenangreifer vollbracht, doch gegen die Versetzung in die Spitze stemmt sich der 20-Jährige nicht. „Ich hab’s nicht so oft im Verein gespielt, da habe ich eine Neun vor mir, aber in der Jugend war ich viel vorne im Zentrum.“ Götze will die Debatte darüber gar nicht verkomplizieren, „das unterscheidet sich nicht viel von der Zehner-Position. Das sind nur Nuancen.“ Wirklich?

Löw hat im Februar in Frankreich in der Endphase stürmerlos und im vergangenen November in den Niederlanden sogar 72 Minuten lang Götze als „falschen Neuner“ agieren lassen, aber dieses Experiment sah in Amsterdam nicht wirklich gut aus. Oder war es ein „schwimmender Stürmer“, der damals ziemlich in der Luft hing? Löws Assistent Hansi Flick tut sich mit den Begrifflichkeiten ein wenig schwer, „aber grundsätzlich bleibt das eine Überlegung“. Auch wenn der Bayern-Edelreservist Gomez, wie Flick erinnerte, im Oktober 2010 sogar auf Kunstrasen geglänzt und in Kasachstan ein Tor geschossen habe.

„Mario ist torgefährlich“

Und doch ist auf den modernen Kunstbelägen, in denen Trägerschicht, Gummigranulat, Sand und Kunstrasenfasern zu einem täuschend echten Rasen verwoben werden, ein Typ wie Götze eher gefragt. „Mario ist einer, der auch auf engstem Raum den Ball sehr gut behauptet. Er hat ein sehr gutes Kombinationsspiel, und er ist auch torgefährlich“, erklärte Flick – und meinte Götze und nicht Gomez. Am Dienstag haben die Nationalspieler eigens ihre erste Freilufteinheit auf dem Eintracht-Trainingsgelände am Riederwald absolviert, wo eben künstliches Grün verlegt ist.

Laut Per Mertesacker, der schon bei den Kunstrasenkicks 2009 in Moskau gegen Russland (1:0) und eben 2010 in Astana gegen Kasachstan (3:0) dabei war, ist Vorsicht angesagt. „Da sind wir im Training sogar nach Mainz gefahren. Der Platz vor Ort war dann aber komplett das Gegenteil.“ Seine Devise für den Kurztrip nach Astana, der Hauptstadt des neuntgrößten Landes der Erde lautet: „Gegebenheiten annehmen, zeigen, was wir können – und dann schnell wieder zurückfliegen.“