Sittengemälde mit Sex und Gewalt: Die RTL-Produktion „Götz von Berlichingen“bietet eine Paraderolle für den Schauspieler Henning Baum.

Stuttgart - Es gibt in Deutschland aktuell wohl nur einen Schauspieler, der das Format und die Statur für diese Rolle mitbringt: Götz von Berlichingen ist wie geschaffen für Henning Baum. Der kernige Westfale, durch die Sat 1-Serie „Der letzte Bulle“ zu einem der größten deutschen TV-Stars geworden, ist der ideale Darsteller für diese mythisch verklärte Figur. Der Autor Christian Schnalke reduziert die komplexe Biografie des in unzähligen Fehden verstrickten und 1562 im biblischen Alter von über achtzig Jahren friedlich verstorbenen Franken weitgehend auf ihre filmreifen Aspekte. Der Burgherr mag seinen Lebensunterhalt mit Raubzügen bestreiten, aber er repräsentiert auch eine Epoche, die dem Untergang geweiht ist. Ähnlich wie Mick Brisgau, der letzte Bulle, ist Götz von Berlichingen ein Fossil, ein Mann der alten Schule, der bereit ist, für andere den Kopf hinzuhalten, wenn sie zu ihrem Wort stehen: der letzte Ritter.

 

Kein Wunder, dass Baum von der Rolle begeistert ist: „Ich habe es geliebt, Götz in mir zu finden, mich in ihn zu verwandeln. Ich würde diesen Mann ebenso wie Mick Brisgau sofort in meinen Freundeskreis aufnehmen.“ Eine Rolle wie der Götz, sagt Baum, erzeuge schon während der ersten Drehbuchlektüre eine Energie, die sofort seine Fantasie in Gang setze. Entsprechend gut ging es ihm während der Dreharbeiten, obwohl die Zeit strapaziös gewesen sei: „Es hat viel Freude gemacht, Götz von Berlichingen zum Leben zu erwecken, und es ist ein großartiges Gefühl, wenn einem die Rolle soviel Energie zurückgibt.“

Viel Sex und noch mehr Gewalt

Diese Energie ist dem Film anzumerken; man spürt regelrecht, mit wie viel Freude und Hingabe Baum den Raubritter verkörpert. Er selbst schwärmt vor allem von den Szenen mit den Pferden: „Eins meiner Tiere war ein heißblütiger spanischer Hengst. Ich musste also, während ich meine Monologe hielt, die ganze Zeit fünfhundert Kilo Pferdemuskeln bändigen. Auf diese Weise findet man fast automatisch einen natürlichen Tonfall und verfällt gar nicht erst in manierierte Schauspielerei.“ Tatsächlich wäre das spätmittelalterliche Abenteuer ohne seinen großartigen Hauptdarsteller bloß ein Kostümfilm mit viel Sex und noch mehr Gewalt (Regie: Carlo Rola); Serien wie „Game of Thrones“ oder „Borgia“ lassen ebenso grüßen wie die mehrteilige Sat 1-Saga über die „Wanderhure“.

Wie dort, so ist auch in „Götz von Berlichingen“ eine Intrige der Handlungsmotor: Der skrupellosen Adelheid von Walldorf (Natalia Wörner) ist jedes Mittel recht, um dem französischen König den Weg zum deutschen Kaiserthron zu ebnen. Götz kommt ihr zwar auf die Schliche, ahnt aber nicht, dass die schöne Intrigantin sogar seinem besten Freund Adelbert (Johann von Bülow) den Kopf verdreht hat. Seine Gutgläubigkeit kostet ihn den rechten Unterarm und somit beinahe das Leben. Allein das Geschick einer Heilerin (Dennenesch Zoudé) bewahrt ihn vor dem Tod. Sein erfinderischer Gefolgsmann Eugen (Lars Rudolph) bastelt ihm eine eiserne Hand, mit der er sogar wieder ein Schwert führen kann.

Potenzial für eine internationale Karriere

Bei allem Respekt vor echten Kerlen wie Mick Brisgau oder Götz von Berlichingen: Viel überraschender ist Baum in Rollen, in denen man ihn nicht erwartet, etwa als Bundeswehroffizier, der aus Gewissensgründen Geheimnisse preisgibt, in „Die Spiegel-Affäre“. Auch Baum würde solche Rollen gern viel öfter spielen. Leider, sagt er, sei „die Vorstellungskraft vieler Filmschaffender nicht so ausgeprägt, dass sie auch mal ‚um die Ecke’ besetzen. Dabei hat das einen großen Reiz.“ Zuletzt hat er unter der Regie von Grimme-Preisträgerin Aelrun Goette mit Claudia Michelsen ein Drama über ein Ehepaar gedreht, in dessen Beziehung sich der Zweifel einnistet. „Ein ganz leiser Film“, versichert er, „etwas völlig anderes als ‚Der letzte Bulle’.“ An der letzten Staffel der Sat 1-Erfolgsserie war Baum auch als Produzent beteiligt, weil er „frischen Wind in die Serie bringen und eine neue Erzählweise etablieren wollte.

Baum ist einer der wenigen deutschen TV-Stars, dem Produzenten und Regisseure attestieren, dass er das Zeug zu einer internationalen Karriere habe. Er hätte selbstredend nichts dagegen, zumal es auch schon das eine oder andere Angebot gegeben habe. „Aber man kann so etwas natürlich nicht forcieren. Deshalb warte ich mit Gelassenheit, was auf mich zukommt. Sprachlich wäre es kein Problem. Englisch entfaltet ohnehin noch mal ein ganz anderes dramatisches Potenzial; deutsch eignet sich vor allem gut zum Denken.“

RTL, Donnerstag, 20.15 Uhr