Zudem bestehen Verbindungen der Anthroposophie zu anderen Schulen der Moderne. In ihrer organischen Formensprache berühren sich beispielsweise die frühen expressionistischen Bauten eines Bruno Taut oder eines Erich Mendelsohn mit den scheinbar körperweich modellierten Betontrutzburgen der Anthroposophen. Den Ideenrahmen zu allen Projekten gab Steiner zu Lebzeiten stets selbst vor, die Ausführung überließ er indes den Profis. Zwischen Anthroposophen-Mobiliar und Goetheanum-Modellen stößt man unverhofft auf Arbeiten des Dänen Olafur Eliasson. Etwa den durch die kristalline Außenhaut hindurchleuchtenden "Power Tower" oder die Hängeskulptur "Orientation Star", die in blitzender Glas-Metall-Optik Planetenmodelle aus der Astrophysik ästhetisch umwandelt.

Dass sich Naturwissenschaft und Kreativität keinesfalls gegenseitig ausschließen, gehört sicher zu den wichtigsten anthroposophischen Anregungen für die Gegenwartskunst. Trotzdem erweisen sich diese Überschneidungen bei einigen in Stuttgart gezeigten Positionen als eher oberflächlich. Von den Skulpturen Tony Craggs, die sich aus jedem Betrachterwinkel in anderer Gestalt zeigen, führt über das Prinzip der Metamorphose ein allenfalls lockeres Band zurück zu Steiner. Ohnehin läuft die Rezeption oft auf der formalästhetischen Schiene, Steiners Soziallehre dagegen hat nach Beuys anscheinend keinen Künstler mehr begeistert.

Eine Raumskulptur als bester Beitrag


Nicht ganz einsichtig ist auch, welche farbpsychologischen Erwägungen man bei Katharina Grosse wiedererkennen soll, obschon ihre monumentale Raumskulptur der beste Beitrag des Ganzen ist. Mit regenbogenbunt gesprühter Vorderseite spreizt sich die geschwungene Bildwand von einem Geschoss zum nächsten. So, als sei die Farbe tatsächlich eine Urkraft, die direkt aus dem Erdkern zu uns emporschießt.

Mancher Kritiker wird sich vielleicht daran stoßen, dass fragwürdige rassistische Äußerungen Steiners nur in einer Texttafel problematisiert werden. Dennoch bleibt von dem umstrittenen Weltlehrer mehr als Mistelkuren oder das Buchstabenhüpfen der Eurythmie, mehr auch als der blässlich aquarellierte Meditationskitsch der traditionellen Anthroposophenkunst, die in Stuttgart zum Glück kaum auftaucht. Zumindest, was die kreativ-künstlerische Komponente anbelangt, kommt Steiners Wirken hier aus der Klischee-Ecke heraus. Spätestens, wer in eine der Farbkapseln krabbelt, erfährt es an Leib und Seele: Anthroposophie tut gut.

Bis 22. Mai, dienstags bis sonntags 10-18, mittwochs und freitags bis 21 Uhr. Es gibt zwei Kataloge: "Rudolf Steiner - Alchemie des Alltags" (79,90 Euro) und "Rudolf Steiner und die Kunst der Gegenwart" (29,90 Euro).