Das war ein Termin, den sich Mary Barra sicher gerne gespart hätte. Nach Versäumnissen bei General Motors musste sich die Konzernchefin im US-Kongress hartnäckigen Fragen stellen. Defekte Zündschlösser bei Autos von GM hatten zu tödlichen Unfällen geführt.

Washington - Ed Markey hält das Problem in der rechten Hand. Es ist ein Zündschloss, entnommen einem Chevrolet Cobalt, Baujahr 2007. Es ist defekt, so wie möglicherweise 2,5 Millionen andere Zündschlösser, die vom US-Autohersteller General Motors (GM) verbaut wurden. Markey, ein Senator der Demokraten, fragt in die Runde, ob jemand wisse, was der preisliche Unterschied zwischen einem defekten und einem funktionsfähigen Zündschloss sei. Er gibt sich die Antwort selbst. „Der Unterschied sind zwei Dollar. Ja, genau, zwei Dollar.“ Eine lächerliche Summe, die aber über Leben und Tod von Autofahrern entscheiden könne.

 

Neben dem Politiker Markey haben sich am Dienstag mehrere Dutzend Frauen und Männer vor dem Kapitol in Washington versammelt. Sie führen öffentlich Anklage gegen GM. Und sie trauern öffentlich um die Menschen, die starben, weil ihre Autos defekte Zündschlösser hatten. Während der Fahrt sprang der Schlüssel auf die „Aus-Position“. Servolenkung, Bremskraftverstärker und Airbag fielen aus. 13 Todesopfer sind es mindestens, das hat GM selbst eingeräumt. Vielleicht sind es sogar 300. Das glauben die Anwälte der Angehörigen.

Kurz nach der Anklageverlesung vor dem Kapitol wird Mary Barra in einem Saal des US-Repräsentantenhauses einem scharfen Verhör unterzogen. Die Abgeordneten wollen wissen, warum die tödliche Pannenserie jahrelang nicht aufgefallen sei, weshalb Klagen von Kunden versickerten. „Warum ist das ausgerechnet in der Automobil-Hauptstadt der Welt geschehen“? fragt der Ausschussvorsitzende Fred Upton. „Hat sich irgendwann einmal jemand die Frage nach dem Warum gestellt“, fragt der Abgeordnete Tim Murphy. Warum mussten erst zehn Jahre vergehen, bis GM eine Rückrufaktion für die defekten Fahrzeuge begann?

Schon sechs Millionen Autos zurückbeordert

Erst am Montagabend waren noch einmal 1,5 Millionen Autos hinzugekommen. In Modellen der Marken Chevrolet, Pontiac und Saturn aus den Jahren 2004 bis 2010 könne die Servolenkung plötzlich ausfallen, teilte der Konzern mit. Damit sind es weltweit mehr als sechs Millionen Autos, die GM wegen unterschiedlicher Mängel seit Jahresbeginn in die Werkstätten zurückgerufen hat. Darunter sind auch einige Tausend Autos des deutschen Tochterunternehmens Opel. GM rechnet mit Kosten von 750 Millionen US-Dollar für die Reparaturen, mögliche Entschädigungszahlen nicht eingerechnet.

Was wusste Mary Barra? Die 52 Jahre alte Managerin ist zwar erst seit Mitte Januar Chefin des Konzerns, war zuvor aber bereits viele Jahre GM-Führungskraft. Vor den Mitgliedern des Kongress-Ausschusses räumt sie am Dienstag freimütig ihr Unwissen ein. Sie könne nicht sagen, warum es so viele Jahre dauerte, bis die technischen Mängel identifiziert wurde. Sie könne nur sagen: „Wir werden es herausfinden.“

Angeblich sollen die Probleme bei GM spätestens 2004 erkannt worden seien. Zumindest stammen die ersten Kundenklagen aus dieser Zeit. Die Angehörigen der Todesopfer bittet Barra während der Vernehmung um Entschuldigung. „Ich bin zutiefst bestürzt“, sagt sie und verspricht, das Unternehmen werde sich seiner Verantwortung nicht entziehen. Am Abend zuvor hat sie Ähnliches schon bei einem Treffen mit Hinterbliebenen gesagt.

„GM hat sich nur um seine Gewinne gesorgt“

Auf die GM-Geschädigten macht das allerdings zunächst wenig Eindruck. Terry DiBattista, die Adoptivmutter eines Unfallopfers, sagt: „Es ist doch klar, dass sich GM nur um seine Gewinne Sorgen gemacht hat, aber nicht um die Sicherheit unserer geliebten Angehörigen.“

Die Reparatur der technischen Mängel ist nach Ansicht von Branchenkennern in den USA das kleinste Problem, mit dem sich Barra herumschlagen muss. Nach innen muss sie eine neue Kommunikationskultur etablieren, um eine Wiederholung der Pannenserie zu verhindern. Nach außen muss sie verhindern, dass das Image von GM noch stärker leidet als ohnehin schon geschehen. Und Barras Problem hat auch eine politische Dimension. Den Abgeordneten im Saal ist noch gut in Erinnerung, dass GM im Jahr 2009 nur vor einer Pleite bewahrt wurde, weil der Staat 50 Milliarden Dollar zuschoss. Angesichts der jetzt öffentlichen gewordenen Pannenserie dürfte das US-Parlament im nächsten Krisenfall zögerlicher sein, Geld auszugeben.