Russland-Ukraine-Krieg Cranko-Schule nimmt geflüchtete Ballettschüler auf
Dank dem Ende der Corona-Maßnahmen hatte das Internat der Cranko-Schule Betten frei. Aus der Ukraine geflüchtete Ballettschüler haben hier ein neues Zuhause gefunden.
Dank dem Ende der Corona-Maßnahmen hatte das Internat der Cranko-Schule Betten frei. Aus der Ukraine geflüchtete Ballettschüler haben hier ein neues Zuhause gefunden.
In den leer stehenden Altbau der John-Cranko-Schule (JCS) sollen demnächst ukrainische Kriegsflüchtlinge einziehen. Im neuen Domizil der Ballettschule sind bereits 16 Kinder aus der Ukraine untergekommen; sie trainieren nun ebenso wie zwei weitere, extern wohnende Kinder mit dem Stuttgarter Nachwuchs. Für die geflüchteten Ballettschüler im Alter zwischen 11 und 18 Jahren, die ihre Ausbildung in staatlichen oder privaten Ballettschulen in ihrer Heimat abbrechen mussten, ist das ein kleiner Schritt in Richtung Normalität.
„Das sind Kinder. Sie brauchen unsere Hilfe und Orientierung“, sagt Tadeusz Matacz, der Direktor der JCS. „Möglich war das dank dem Ende der Coronamaßnahmen und den schnellen Genehmigungen von Behörden“, erklärt Matacz weiter. Weil die Internatszimmer während der Coronapandemie nur mit jeweils einem Kind belegt waren, verfügte die Schule über die notwendigen Kapazitäten, um geflüchtete Ballettschüler aufzunehmen und ihrem Alter entsprechend in den jeweiligen Klassen zu unterrichten.
Ein Vortanzen, wie es sonst der Ballettnachwuchs vor einer Aufnahme absolvieren muss, habe man in diesem Fall nicht organisiert. „Uns ging es um eine menschliche Reaktion. Wir haben nun eine bunte Mischung an Schülern, die Spanne ihres Könnens ist ziemlich groß“, sagt Matacz. „Wer von unseren Schülern durch die Coronapandemie noch in einem lethargischen Zustand war, der ist nun wachgerüttelt, um diesen Kindern zu helfen“, so Matacz.
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Wie sind die geflüchteten Ballettschüler nach Deutschland gekommen? Wo sind ihre Eltern? Der Direktor der JCS beantwortet unsere Fragen am Telefon in Warschau, wo er seine 90-jährige Mutter besuchte – und verweist auf die 2,5 Millionen Flüchtlinge, die bereits in seinem Heimatland Polen angekommen sind. „Ich sehe hier am Bahnhof eine lange Schlange mit Tüten bepackter Geflüchteter, vor allem Mütter mit kleinen Kindern, gleichzeitig fahren sehr teure Autos mit ukrainischen Kennzeichen an mir vorbei“, beschreibt Matacz, „ganz unterschiedlich sind auch die Schicksale der in unserer Schule angekommenen Kinder.“ Unter ihnen auch ein Mädchen, das allein mit dem Bus aus Krakau nach Stuttgart gereist sei.
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Selbst wenn Matacz weiterhin viele Anfragen erreichen, kann seine Schule nicht mehr Kinder aufnehmen. Und mit denen, die da sind, will er ehrlich sein: Vielen fehle das Leistungsniveau für eine Einrichtung wie die JCS – ihre Unterbringung könne nur eine Übergangslösung sein; im Herbst soll die international renommierte Ballettschule nach der Pandemie im neuen Haus endlich in den Normalbetrieb starten. „Den Eltern habe ich signalisiert: Holt eure Kinder zu euch, sobald ihr Boden unter den Füßen habt“, so Matacz. Momentan zähle für ihn nur eins: „Die Kinder sollen sich bei uns zu Hause fühlen.“
Nachrangig ist da auch, wer die Kosten für die im Monat jeweils 850 Euro teuren Internatsplätze stemmen wird, doch erste Spender haben sich bereits gemeldet. So will der Lions-Club Stuttgart-Wirtenberg der Cranko-Schule 10 000 Euro für die Versorgung der aufgenommenen ukrainischen Kinder zur Verfügung stellen.