Die Stadt Rutesheim verklagt das Statistische Landesamt – wie mittlerweile viele andere Kommunen auch – wegen Zensuszahlen.

Rutesheim - Die Tinte auf dem Zensusbescheid vom 27. Juni 2013 ist noch nicht trocken gewesen, da hat Rutesheim noch am gleichen Tag als erste Stadt im Land Widerspruch eingelegt. Nun ist sie die erste Kommune im Kreis Böblingen, die die Landesstatistiker dafür vor Gericht ziehen will. Der Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, gegen den (noch nicht eingegangenen) Widerspruchsbescheid des Amtes vorsorglich Klage zu erheben.

 

Dabei ist Rutesheim in guter Gesellschaft, denn alle weiteren Städte mit knapp über 10 000 Einwohnern im Kreis – Renningen, Weil der Stadt, Gärtringen und Holzgerlingen – wollen ebenfalls klagen. Der Bürgermeister Dieter Hofmann nennt den Beweggrund aus Rutesheimer Sicht: „Man hat uns mit dem Zensus 501 Einwohner geraubt.“ Die fünf betroffenen Städte bemängeln, dass gerade Kommunen zwischen 10 000 und 12 000 Einwohnern mit fast 1,5 Prozent ein überdurchschnittlich großes Einwohnerminus hinnehmen sollen.

„Ergebnis ist äußert ungerecht“

„Dieser extrem große Unterschied ist im Wesentlichen allein in den völlig unterschiedlichen Erhebungsmethoden begründet, und das daraus resultierende Zensus-Ergebnis ist äußerst ungerecht“, sagte Hofmann in der Gemeinderatssitzung. Bis zu 10 000 Einwohnern wurde nur eine Frage nach der Zahl der Personen in einem Gebäude gestellt – von 10 000 Einwohner an war pro Person ein Bogen mit 45 Fragen auszufüllen. „Wie uns zahlreiche Bürger mitgeteilt haben, war ihnen beim Ausfüllen der umfangreichen Fragebögen nicht bekannt, dass jeder ausgefüllte Fragebogen für eine hier wohnende Person gezählt wird und dann im Melderegister zehnfach multipliziert wird“, erläuterte Hofmann.

Um sich den enormen Aufwand für das Ausfüllen der weiteren Bögen für ihre noch daheim wohnenden volljährigen Kinder zu ersparen, hätten demnach manche Familien darauf verzichtet. Dass sich jedes nicht eingetragene Kind gleich zehnfach negativ auf die neue Einwohnerzahl auswirke, hätten dabei viele nicht bedacht.

Schwammige Formulierung

Zudem sei die Formulierung über den Zweck der Erhebung „zu schwammig“ gewesen: es hieß, es handle sich um eine Qualitätssicherung der Zahlen im kommunalen Melderegister. „Richtig wäre gewesen, deutlich darauf hinzuweisen, dass es um die sehr wichtige konkrete Einwohnerzahl geht und jede im Haus wohnende Person aufgrund der Zensus-Methodik dabei eine zehnfache Auswirkung hat“, sagte der Bürgermeister. „Unser Melderegister ist sehr gut geführt und zuverlässig“, so Hofmann weiter. Das hätten die jüngsten Bundestagswahlen gezeigt. Die rund 7500 Wahlbenachrichtigungen sind auf der Grundlage des Registers zugestellt worden und nur bei fünf stimmten die Daten nicht.

Nicht von ungefähr wollen die betroffenen Kommunen das große Einwohner-Minus nicht hinnehmen. Es geht nämlich um viel Geld. Bei der künftigen Verteilung der Schlüsselzuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich bedeutet jeder Einwohner fast 900 Euro weniger pro Jahr. Allein für Rutesheim summiert sich das auf rund 420 000 Euro weniger Einnahmen.