Sechs der neun Dozenten sind zusammen mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen zu hören.

Rutesheim - Dass die Halle Bühl II eigentlich eine Sporthalle ist, davon ist nichts zu merken. Beim nahezu ausverkauften Orchesterkonzert der Dozenten im Rahmen der Cello-Akademie Rutesheim hängen im Foyer einige bunte Cello-Kästen von der Decke, andere werden von Jugendlichen durchs dichte Gedränge getragen. Die Halle selbst ist festlich beleuchtet, und gleich rechts neben der Saaltüre, hinter der aufgebauten Tribüne, warten elegante Stehtischchen und ein einladendes Büffet. Alles ist, wie jedes Jahr, perfekt organisiert.

 

Am schönsten ist jedoch die Atmosphäre, die wie elektrisiert ist und die vibriert vor lauter Lampenfieber, Neugier und Begeisterung. An diesem Abend werden sechs der insgesamt neun Dozenten zusammen mit einem großen sinfonischen Orchester zu hören sein: mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen.

Bekanntes und weniger Bekanntes wird gespielt

Bekanntes und weniger Bekanntes steht auf dem Programm, gespielt von renommierten Hochschulprofessoren aus ganz Deutschland. Ein Konzert, das es in dieser Form wohl kein zweites Mal zu hören gibt. Den Auftakt macht Danjulo Ishizaka mit Sergej Prokofjews Concertino g-Moll (op. 132), einem Werk, das nicht in erster Linie gefällig ist, dafür aber voller Leben und Ironie. Beides verwandeln Solist und Orchester mit Sensibilität und Virtuosität in aufregende Klänge.

Einen wunderbaren Kontrast dazu schenkt Sebastian Klinger dem Publikum dann mit Ottorino Respighis „Adagio von Variazioni“. Gemeinsam mit dem durch eine Harfe verstärkten Orchester schafft er zauberhafte Stimmungen – fast meint man, mit geschlossenen Augen glitzernde Sonnenstrahlen auf einem Seerosenteich spielen zu sehen – wunderschöne Momente von großer Ausdruckskraft.

Den ersten von zwei großen Cello-Klassikern stimmt dann Claudio Bohórquez mit Peter Tschaikowskys „Pezzo Capriccioso“ (op. 62) an. Mit ihm und Wolfgang Emanuel Schmidt, der das Orchester an diesem Abend dirigiert, stehen sozusagen zwei Männer der ersten Stunde auf der Bühne. Beide sind als Dozenten seit der allerersten Cello-Akademie mit dabei. Von der ersten Note an lodert die Cello-Stimme, als würde sie mit sich selbst eine leidenschaftliche Unterhaltung führen – sehr intensiv, und dabei niemals dick. Immer wie neu und anders dekliniert Bohórquez das markante Motiv durch und huscht schließlich mit atemberaubender Geschwindigkeit wie auf Zehenspitzen über die Saiten – eine kleine Reminiszenz an David Poppers berühmten „Elfentanz“?

Den zweiten „Hit“ serviert Wen-Sinn Yang mit den Rokoko-Variationen, ebenfalls von Tschaikowsky. Das graziöse Thema, das mal von Girlanden umrankt wird und dann wieder als emotionale Ballade auftritt, macht dem Solisten offenbar große Freude. Die technischen Hürden meistert er so leicht und charmant, als wäre es ein reines Vergnügen, sie zu spielen.

Gemeinsam schwelgen Orchester und Solo-Instrument mit großem Gestus

Jens Peter Maintz, auch er von Anfang an dabei, steuert mit Alexander Tansmans Fantasie für Violoncello und Orchester nochmals eine andere Nuance bei. Über jazzigen Harmonien fabuliert die Cello-Melodie in hoher Lage ungemein expressiv. Gemeinsam schwelgen Orchester und Solo-Instrument mit großem Gestus und urbaner Seele. Nicht immer ist die harmonische Basis präsent, aber das Feuerwerk funkelnder Chromatik und energischer Rhythmik erinnert an die Energie nächtlichen Großstadtgetümmels mit hastenden Menschen, blinkenden Lichtern und hupenden Autos.

Im Anschluss an das Konzert lud die Stadt die 101 Studenten, Dozenten, Pianistinnen und besonders engagierte Gastfamilien zum Gala-Empfang in die Mensa des Gymnasiums ein. Während an der Rückwand Fotos vom vergangenen Akademietag gezeigt wurden, konnten sich die festlich gekleideten Gäste am Büffet gütlich tun. Angeregtes Stimmengewirr, leuchtende Augen und viele fröhliche Gesichter bewiesen auf das Schönste, dass die Cello-Akademie nicht nur aufgrund ihrer sehr hohen musikalischen Qualität inzwischen international ein Begriff ist. Dem „Erfinder“ der Akademie, wie Bürgermeister Dieter Hofmann den geistigen Vater und künstlerischen Leiter Matthias Trück nannte, als er sich bei ihm bedankte, gelingt es unverändert, für das Festival die ganze Stadt zu mobilisieren. Und die engagiert sich mit unverändert großer Begeisterung. Sie bekomme oft schon im Frühjahr Anrufe von Gastfamilien mit der Frage „Bekomme ich meinen Dozenten wieder?“, erzählt schmunzelnd Trücks Mutter Gabriele, die den Großteil der Organisation bewältigt.