Nach der siegreichen Landtagswahl wollen die  Grünen und die SPD die Aufarbeitung des umstrittenen Einsatzes im Schlossgarten forcieren.

Stuttgart - Der bevorstehende Regierungswechsel bringt auch eine Personalie wieder auf die Tagesordnung, die fast schon in Vergessenheit geraten schien. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung muss der Stuttgarter Polizeipräsident Siegfried Stumpf um seinen Job bangen. Stumpf selbst hatte die alleinige Verantwortung für den missglückten Polizeieinsatz vom 30. September 2010 übernommen, bei dem mehr als hundert Stuttgart-21-Gegner, aber auch Polizisten, im Schlossgarten durch Wasserwerfer, Pfefferspray, Schläge und Tritte verletzt worden waren.

 

Der Sprecher des SPD-Landesverbands und Stuttgarter Stadtrat Andreas Reißig rät dem Polizeichef zum Rückzug aus eigener Einsicht: Der scheidende Ministerpräsident Stefan Mappus habe seine Rechnung vom Wähler präsentiert bekommen, nun sei Stumpfs Zeit gekommen. Und der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat und Landtagsabgeordnete Werner Wölfle erklärte mit Blick auf die Regierungsbildung: "Herr Stumpf wäre gut beraten, von sich aus seinen Posten frei zu machen."

Die neue grün-rote Landesregierung will die Aufarbeitung des umstrittenen Einsatzes forcieren - der geforderte Wechsel an der Spitze des Stuttgarter Polizeipräsidiums kann aber auch unter ihrer Führung nicht ohne weiteres vollzogen werden. Anders als ein Staatssekretär, Ministerialdirektor oder Regierungspräsident ist der Polizeichef nach dem Landesbeamtengesetz kein politischer Beamter, der unter neuer Führung einfach ausgetauscht werden kann. Und auch ein freiwilliger Rücktritt ist mit juristischen Hürden verbunden, da das Landesbeamtengesetz diesen Schritt nicht vorsieht.

Suche nach einer einvernehmlichen Lösung

Übliche Praxis in solchen Fällen ist, den Betreffenden "wegzuloben", wie es heißt, also nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Vakant ist derzeit etwa der Spitzenposten im Landeskriminalamt (LKA), für dessen Führung sich Stumpf gerüchteweise beworben haben soll. Als aussichtsreichster Kandidat gilt allerdings der Tübinger Polizeipräsident Dietrich Moser von Filseck, der bei einem Wechsel ins LKA wiederum seinerseits einen gut dotierten Posten hinterlassen würde. Dazu könnte passen, dass Stumpf bereits drei Jahre Leiter der Schutzpolizei in Tübingen war und ganz in der Nähe in Dettenhausen wohnt.

Stumpf selbst will die Forderungen nach seinem Rücktritt nicht selbst kommentieren. "Die Forderung wurde im Licht des Wahlkampfs und im Untersuchungsausschuss gestellt. Sie ist bekannt und nicht neu", erklärte stattdessen am Freitag der Polizeisprecher Stefan Keilbach. Der Polizeipräsident habe keinen Anlass, sich an Spekulationen über sein Amt zu beteiligen. Rechtlich gesehen könne nur der neue Dienstherr Forderungen stellen.

Stumpf bestritt jegliche politische Einflussnahme

Grüne und SPD hatten bereits im Januar nach Abschluss des Untersuchungsausschusses zu den Vorfällen im Schlossgarten Stumpfs Abberufung verlangt. Dieser hatte jegliche politische Einflussnahme seitens der CDU-geführten Landesregierung auf den Zeitpunkt des Einsatzes und die Polizeistrategie bestritten. Der Rücktrittsforderung angeschlossen hatte sich auch eine Gemeinderatsmehrheit aus Grünen, SPD, SÖS/Linke und FDP. Die Liberalen ruderten allerdings zurück, Fraktionschefin Rose von Stein lobte Stumpf später sogar für seine umsichtige Einsatzleitung bei der ebenfalls von Protesten begleiteten, aber glimpflich verlaufenen Baumverpflanzung im Februar. Zu dieser Zeit weilte Stumpf allerdings im Urlaub, das Lob hätte eigentlich seinem Vertreter gelten müssen.

Dass es Mittel und Wege gibt, einen Polizeipräsidenten im Bedarfsfall zwangszuversetzen, zeigt der Fall Volker Haas, der 1999 nach einer Kurdenkundgebung am Dreikönigstag auf Druck des damaligen Innenministers Thomas Schäuble seinen Stuhl räumen musste. Die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Stadt sei nicht mehr gegeben gewesen, erklärte Schäuble damals. Haas hatte sich dafür eingesetzt, dass auf einer Kundgebung mit knapp 2500 Kurden auch ein Sarg mit einem toten Kurden, der sich aus Protest verbrannt hatte, mitgetragen werden durfte. Er selbst hatte diese Entscheidung seinerzeit als Deeskalationsstrategie begründet. Nach einigen Diskussionen und einem heftigen Streit mit OB Wolfgang Schuster wurde der Stuttgarter Polizeipräsident schließlich ins Innenministerium versetzt, wo er als Referatsleiter seinen Dienst tat.