S-Bahn Region Stuttgart Hiobsbotschaften ohne Ende – bald kommen die nächsten Sperrungen

Ja, wo laufen sie denn? Auch 2024 kommen auf S-Bahnfahrgäste zahlreiche Einschränkungen zu. Foto: Imago/Arnulf / Hettrich

Das Schienennetz in der Region Stuttgart ist marode, die Pünktlichkeit der S-Bahn auf Talfahrt. Um die Gleise auf Vordermann zu bringen, muss gebaut werden, wie selten zuvor. Auch in 2024 müssen sich Fahrgäste daher auf viele Behinderungen einstellen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Die Zahlen sind ernüchternd und bestätigen doch bloß das, was die vielen Tausend Fahrgäste der S-Bahn Stuttgart nahezu täglich erdulden müssen. Das System ist aus den Fugen, die Züge sind so unzuverlässig unterwegs wie selten zuvor. Die Pünktlichkeitswerte sind im Keller. Nur 74 Prozent der Züge waren im Jahr 2023 weniger als drei Minuten verspätet, im Jahr zuvor lag dieser Wert noch bei 80,2 Prozent – auch das weit vom Ziel entfernt, das sich die S-Bahn selbst gesteckt hat. Es liegt bei einem Wert von 94,5 Prozent.

 

Strafzahlungen der Bahn steigen deutlich

Noch schlechter sieht es aus, wenn nur die Hauptverkehrszeiten betrachtet werden: Da waren gerade noch 62 Prozent innerhalb der Drei-Minuten-Pünktlichkeit und damit auch deutlich unzuverlässiger als im Jahr 2022, das auch schon nicht rosig war. Die Konsequenz: die Bahn wird zur Kasse gebeten, die sogenannten Pönalen, die Strafzahlungen für Schlechtleistungen, steigen fürs Jahr 2023 auf satte 1,83 Millionen Euro. Im Jahr zuvor hatte die Bahn noch „nur“ 1,29 Millionen Euro an die Region überwiesen, die den S-Bahnverkehr bestellt. Große Freude will bei den Regionalräten wegen des Geldsegens aber nicht aufkommen. Lieber wären ihnen weniger Strafen, weil die S-Bahnen zuverlässiger unterwegs sind, hieß es übereinstimmend bei der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschuss der Region.

Immer was los: wo 2024 im S-Bahnnetz gebaut wird. Foto: Yann Lange

„Wir sind nicht mit unserer Leistung zufrieden. Da gibt es nichts zu beschönigen“, sagte der S-Bahn-Chef Dirk Rothenstein. Auf der Habenseite verbuchte er, dass die Fahrgastzahlen 2023 auf dem Niveau von 2022 verharrten, also wenn schon nicht anstiegen, so doch wenigstens auch nicht fallen. Drei Gründe identifizierte Rothenstein für die anhaltende Malaise der S-Bahn: die schwierige Personallage, die Qualität neu gelieferter Fahrzeuge und die zahlreichen Baustellen, mit denen die Bahn versucht, das Netz wieder in einen annehmbaren Zustand zu versetzen. Auffallend viel Zeit wendete Rothenstein auch darauf, darzulegen, was die S-Bahn unternimmt, um Fahrgäste zu informieren, wenn mal wieder etwas nicht so läuft wie angekündigt. Neun zusätzliche Mitarbeiter fungieren nun als Überbringer der schlechten Nachrichten.

Ist die Talsohle erreicht?

Die Regionalräte nahmen die ernüchternde Bilanz mit überraschendem Langmut hin und ergingen sich in Mutmaßungen darüber, ob denn nun die Talsohle erreicht sei, ein Ort, an dem sie sich in der Vergangenheit schon mehrfach wähnten, um dann doch wieder eine weitere Verschlechterung zur Kenntnis nehmen zu müssen.

Und spätestens als Rüdiger Weiß, oberster Fahrplankonstrukteur der Bahn in Baden-Württemberg, das Wort ergriff, musste einigen in der Runde schwanen, dass es auch 2024 kaum besser wird. Bis Anfang November wird es kaum eine Woche geben, in der nicht größere Baustellen den Schienenverkehr in der Region ausbremsen. Einzig während der vier Wochen vom 14. Juni bis zum 14. Juli, wenn die Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland und auch in der Region gastiert, ruhen die Baumaßnahmen.

Keine Baustellen während der EM

Abseits dieser sommerlichen Verschnaufpause geht es Schlag auf Schlag. Fahrgäste der S 1 müssen sich in der zweiten Maihälfte auf eine Sperrung der Strecke zwischen Bondorf und Herrenberg einstellen, in etwa demselben Zeitfenster wird auch nichts mehr bei der S 6 zwischen Renningen und Weil der Stadt gehen. Über den Monatswechsel Mai/Juni steht zwischen Stuttgart und Esslingen sowie zwischen Fellbach und Bad Cannstatt jeweils nur ein Gleis zur Verfügung.

Wo die Bahn der Bahn in die Quere kommt

Während der Sommerferien ist ein weiteres Mal die sogenannte S-Bahnstammstrecke zwischen dem Hauptbahnhof und Vaihingen komplett gesperrt. Von Rohr nach Filderstadt wird gleich zweimal dicht gemacht – einmal gut zehn Tage lang im Juli und dann noch mal knapp 20 Tage im September. Davon betroffen sind auch der Flughafen und die Landesmesse. Einige kürzere Bauarbeiten, bei denen nur ein Gleis statt zweien zur Verfügung stehen, fehlen noch in dieser Aufzählung. Die Bahn wird die Interimskonzepte noch bekannt geben. Weiß kündigt an, an einem Konzept zu arbeiten, um Baumaßnahmen künftig besser bündeln zu können. Allerdings ist er vor bahninternen Querschüssen auch nicht immer gefeit. Alleine die im vergangenen Jahr von der Bahnprojektgesellschaft Stuttgart-Ulm kurzfristig angekündigten Arbeiten für den sogenannten Digitalen Knoten Stuttgart hätten dazu geführt, „dass ich 600 andere Baumaßnahmen habe verschieben müssen“.

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