Entlang der Böblinger Straße finden sich noch eine Reihe alteingesessener Läden und Betriebe, von denen wir in einer Serie einige besuchen. Heute stellen wir Hans-Peter Knirsch Radio- und Fernsehtechnik vor – kurz: den Radio Knirsch.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Musikliebhabern ist Knirsch ein Begriff. Zu ihm tragen sie ihre High-End-Plattenspieler, Verstärker, CD-Decks, wenn’s klemmt oder rauscht. Seit 38 Jahren repariert Hans-Peter Knirsch in seinem unscheinbaren Laden in der Böblinger Straße Fernseher und Abspielgeräte aller Art – seit neuestem auch wieder Kassettendecks. Die Wiedergabeform schien bereits ausgestorben. Doch seit einigen Jahren beobachtet Knirsch, dass insbesondere Japaner auf Ebay Jagd machen auf Kassettenrekorder in High-End-Qualität. „Hier in Deutschland kann man die alten Geräte noch preisgünstig ersteigern. Und es gibt wieder Studios, die analog aufnehmen“, ihre Musik also als Platten und Kassetten auf den Markt bringen. Denn „Musikkenner hören lieber richtig Musik, nicht digital“, so Knirsch.

 

Kenner lieben’s analog

Auch Plattenspieler erlebten seit zehn Jahren eine Renaissance. Nicht bloß die Profi-Aufleger der einschlägigen Musikklubs und grauschläfigen Freunde von Jazz und Klassik finden den Weg zu Knirsch. Gelegentlich schneit auch Gemüse herein, Leute, die einen Plattenspieler geerbt haben und den Fachmann mit großen Augen fragend anschauen: „Und wie funzt das?“ Den Geschäftsmann freut’s. „Eine Zeit lang fehlten mir die jungen Kunden unter 30. Jetzt nicht mehr.“

Hans-Peter Knirsch ist in der Nachbarschaft, in der Arminstraße, aufgewachsen. Ein Radio-Baukasten des Kosmos-Verlags hat sein Schicksal früh besiegelt: „Da wusste ich, was ich mal werden wollte.“ So ist er 1970 bei Radio Barth in die Lehre gegangen, hat später seinen Meister in Radio- und Fernsehtechnik gemacht und 1980 in einer ehemaligen Reinigung seinen eigenen Laden in der Böblinger Straße eröffnet. „Den Beruf gibt’s heute gar nicht mehr“, knurrt Knirsch. Ihn nervt, dass heute „jeder, aber auch jeder einen Reparaturladen für Smartphones eröffnen kann ohne irgendeine Ausbildung“ vorweisen zu können. Um sich sichtbar gegen Stümperei und Dilettantismus abzugrenzen, hat Knirsch mit 50 Jahren noch den Meister in Elektrotechnik draufgesattelt.

Ersatzteile aus dem 3-D-Drucker

Er liebt elektrische Herausforderungen, knifflige Probleme, neue Technik, in die er sich hineinfuchsen muss. „Hochkomplizierte, richtig schwierige Reparaturen machen mir Spaß.“ Sein 3-D-Drucker etwa: Am Bildschirm entwirft er ein Bauteil – jüngst beispielsweise ein Zahnrädchen, das er für die Öffnungsklappe eines CD-Players benötigte, und der Drucker spuckte es als fertiges Plastikteil aus. Anders hätte er den Öffnungsmechanismus nicht in Gang gebracht, originale Ersatzteile sind nicht mehr lieferbar. Dabei verfügt Knirsch selbst über einen beachtlichen Fundus. „Immer, wenn irgendwo ein Fachgeschäft schließt, fahre ich hin und kaufe auf, was ich brauchen kann.“ Inzwischen, sagt Knirsch, „bin ich einer der letzten, die solche Reparaturen noch machen können“. Daher käme die Kundschaft oft von weit her angereist.

Ein Patient blieb dem Fachmann über alle Jahrzehnte erhalten – das Fernsehgerät, wenngleich sich dessen Technik grundlegend gewandelt hat. Früher, erinnert sich Knirsch, hätten sie bis zu 50 Kilogramm schwere Röhrengeräte durch die Stuttgarter Treppenhäuser gewuchtet und in den Wohnzimmern der Kundschaft aufgestellt. Heute gibt es immer noch den vollen Service mit Programmierung und Interneteinrichtung. Doch während er noch in den 1990er Jahren mit bis zu sechs Mitarbeitern täglich 15 bis 20 Fernseher reparierte, fallen solche Arbeiten heute kaum mehr ins Gewicht. „Die Flachbildfernseher lassen sich meist gar nicht reparieren. Die Apparate der Firma JVC beispielsweise kann man noch nicht mal mehr öffnen, die sind nicht verschraubt, sondern verklebt.“

Elektrogeräte werden heute verklebt

Eine häufige Reparaturarbeit heute seien Verstärker mit geschrotteter Endstufe. Die Augen des Fachmanns leuchten: „400 Geräte mit ein und demselben Fehler habe ich im letzten Jahr repariert. Die Ursache war immer dieselbe. Nämlich?“, spannt er den Fitzebogen, um dann zu erklären: Die Leute stecken ihr Smartphone als Musikquelle an den Verstärker und freuen sich, dass Musik rauskommt. Was sie nicht wissen: Fünf Volt kommen aus dem Cinch-Kabel am Phone, der Verstärker benötigt aber 300 Millivolt Wechselstrom. „Und nach einer Weile machen die Verstärker schlapp, die Endstufe fällt aus, das Gerät brummt. Reparaturkosten: 200 bis 300 Euro.“ Nun kommt Knirsch ins Spiel, der dank seiner Ausbildung „brutal gut“ ist und folgende Lösung ersann: einen Stromumwandler zwischen die beiden Geräte zu stöpseln. „Genial!“, findet er selbst. Vielleicht wird er eines Tages berühmt dank dem Knirsch-Transformator gegen das Brumm.

Man trifft bei Radio-Knirsch auf einen Inhaber mit Liebe zum Detail und Freude an der Arbeit. Wenn’s nach ihm geht, könne das noch zehn Jahre so weiter gehen, obwohl er bereits das Rentenalter erreicht hat. Das einzige, was seine Freude trübt, ist die Nachbarschaft und das Leben draußen auf der Böblinger Straße. „Jeden Morgen muss ich den Dreck aus dem Eingang fegen – Dreck und Hundekot. Heute Morgen war mein Briefkasten vollgesprüht, und ständig pinkeln die Leute in den Hof“, klagt Knirsch. „Es laufen immer mehr rum, die sich nicht benehmen können. Und mit den ganzen Festen am Marienplatz kommen immer noch mehr Leute her, die Dreck machen. Es ist eine Katastrophe!“ Knirsch hat eine erste Konsequenz gezogen: Laufkundschaft bloß noch am Vormittag, nachmittags ist nun geschlossen. Dann repariert er Geräte oder ist im Außendienst. Die Veränderungen in der Technik macht er ja gerne mit. Aber was da draußen auf der Straße vor seinem Laden passiert, das ist so ganz und gar nicht mehr Knirschens Welt.