Was passiert, wenn sich die perfekte Familie als brüchige Illusion erweist? Sabine Trinkaus hat einen abgründigen Thriller verfasst, in dem sich sogar der Leser mutterseelenallein fühlt.

Nachrichtenzentrale : Lukas Jenkner (loj)

Stuttgart - Es scheint perfekt: Katharina hat einen kleinen Sohn names Timo und den fleißigen Arzt Patrick als Ehemann. Sie führt ein sorgenfreies Leben in einem eigenen Haus und nichts scheint die Idylle stören zu können. Jedoch weit gefehlt: Schon bald bekommt Katharinas kleines Familienparadies die ersten Risse. Timo ist gelegentlich schwierig, und Ehemann Patrick könnte sich durchaus intensiver ins Familienleben einbringen. Eines Tages ist Timo verschwunden. Anscheinend gibt es jemanden, der Katharinas kleine Welt zerstören will. Sie wehrt sich – mit allen Mitteln.

 

Schon mit „Seelenfeindin“ hatte Sabine Trinkaus einen Thriller vorgelegt, der den Leser während der Lektüre zusehends verunsicherte. Vermeintliche Gewissheiten erwiesen sich als trügerisch und das Ende war wahrhaft sardonisch. Dieses Konzept setzt die Autorin in „Mutter Seelen Allein“ erneut um. Alsbald wird dem Leser klar, dass Katharina einigen Anteil daran hat, dass ihr Familienleben und die vermeintliche Idylle Risse bekommen. Die Vorzeigemutter ist psychisch labil und hat ein Gewaltproblem. Ihr Ehemann Patrick sucht Trost und Heil in einer langjährigen, ebenfalls problematischen On-Off-Affäre.

Ein Haufen Protagonisten mit egoistischen Motiven

Komplettiert wird das Tableau durch eine Pensionärin, die ihre Enkellosigkeit am kleinen Timo kompensiert, deren lieblosen Ehemann sowie eine Freundin von Katharina, die zunächst eher wider Willen ins Geschehen verwickelt wird.

Das hat über die 285 Seiten hinweg meist den Charakter eines Kammerspiels, dessen Handlung sich vor allem um die Dysfunktionalität eines sozialen Systems dreht, in dem sich die Beteiligten allesamt bemühen, ihre Rollen zu spielen, letztlich aber an der Konstruktion des Lügengebäudes einer heilen Welt scheitern. Durch regelmäßige Perspektivwechsel erlebt der Leser das Geschehen aus der Sicht der jeweiligen Protagonisten, von denen jeder ganz eigene egoistische Motive hat – und muss erkennen, dass niemand ernsthaft an einer Lösung interessiert ist, sondern nur daran, die eigenen Interessen durchzusetzen.

Dazu passt, dass nach einem Gewaltausbruch der Teufelskreis kein Ende findet und die meisten einfach weiterwursteln. Eine Hölle ist das, in der jeder mutterseelenallein ist.

Sabine Trinkaus: Mutter Seelen Allein. Thriller. Emons Verlag Köln 2019. Klappenbroschur, 288 Seiten, 14,95 Euro.