Die 16-Jährige Dafina Kastrati, die die Merz-Schule besucht, möchte beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest dabei sein. Das Spektakel geht am 10. Mai in Kopenhagen über die Bühne.

Stuttgart - Dass sie erst 16 Jahre alt sein soll, ist schwer zu glauben. Wer das Bewerbungsvideo von Dafina Kastrati für den Eurovision Song Contest (ESC) 2014 in Dänemark anschaut, sieht eine junge Dame mit Starappeal und weicher, dunkler Soulstimme. Die Ohrwurm-Ballade, mit der sich die Schülerin der Stuttgarter Merz-Schule gegen 1500 Wildcard-Mitbewerber durchsetzen möchte, ist hochpolitisch. Die 16-Jährige singt von der Insel Lampedusa, die Flüchtlingen wie eine offene Tür zum gelobten Europa erscheint, die viele jedoch nur mit den Augen erreichen. Warum ein so ernstes Thema? „Es ist die Kluft zwischen Arm und Reich, die mich beschäftigt“, erzählt die junge Sängerin. Ihr Vater stamme aus dem Kosovo, dort seien sie häufig. Ihre Mutter komme aus Afrika. „Sie haben sich zu zehnt eine Schüssel Reis geteilt.“

 

Mit ihren Eltern und ihren sieben und 14 Jahre alten Brüdern lebt Dafina Kastrati in Leinfelden-Echterdingen. Ihr Zimmer ist hell und aufgeräumt. „Ich mag Unordnung nicht“, sagt sie. Fotos von Familie und Freunden hängen in einem großen Herz an der Wand. Ihr Idol ist Beyoncé. „Sie hat so eine Hammer-Bühnenpräsenz“, schwärmt das Mädchen. Dafina Kastrati singt seit zehn Jahren, seit fünf Jahren bekommt sie Gesangsunterricht. Als sie neun war, hat sie mit einem Freund des Vaters eine Single aufgenommen: „I want to live.“ Der Komponist Florent Boshnjaku hat jetzt auch die Musik zu den Lampedusa-Zeilen geschrieben. Er ist beim ESC kein Unbekannter: Boshnjaku komponierte das Lied, mit dem die albanische Sängerin Rona Nishliu im Jahr 2012 Platz 5 erreichte.

Langer Weg bis zum Endauswahl

Die Konkurrenz um die Wildcard ist riesig. Nur zehn Kandidaten werden zum Clubkonzert am 27. Februar nach Hamburg eingeladen. Der Gewinner darf sich dann beim deutschen Vorentscheid am 13. März mit sieben gesetzten Musikern messen, wie der Echo-verwöhnten Band Unheilig und dem gefeierten Schwarzwälder Shootingstar Madeline Juno. Die Wildcard ist neu. Iris Bents, Pressesprecherin des Norddeutschen Rundfunks (NDR), sagt dazu: „Wir freuen uns über etablierte Künstler, möchten aber auch Nachwuchskünstlern ohne Plattenvertrag eine Chance geben.“ Wer beim Clubkonzert auftreten dürfe, werde von Vertretern des NDR, der Produktionsfirma Brainpool sowie mehreren Plattenfirmen und Radiosendern entschieden. Es komme auf den Musikstil und die Qualität der Darbietung an.

Zweifel bei der Pop-Akademie am Castingformat

Professor Hubert Wandjo, Business Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim, sieht eine riesige Aufgabe auf die Jury zukommen: „Das kann sehr schnell ermüden.“ Das Auswahlgremium müsse aufpassen, dass jeder eine faire Chance bekomme. „Da braucht es ein formalisiertes Beurteilungssystem.“ Aber die Juroren seien Profis.

Wandjo stellt den Eurovision Song Contest in eine Reihe mit Musikcasting-Shows. Man könne unterstellen, dass nicht nur das künstlerische Ergebnis, sondern auch die Einschaltquote eine Rolle spiele, sagt er. Die Popakademie rücke bewusst nicht in die Nähe solcher Castingshows, betont der Professor. Man müsse ihnen aber zugestehen, dass sie jungen Künstlern eine Chance böten. „Sie haben zunächst einmal die Möglichkeit, sich einem großen Publikum zu präsentieren.“ Meist sei der Erfolg nicht von Dauer. Das lasse sich selbst bei der deutschen ESC-Gewinnerin von 2010 sehen: Lena Meyer-Landrut habe sich bisher keine stabile Karriere aufbauen können. „So geht es in Deutschland fast allen Kandidaten.“

Auch politische Titel können funktionieren

Ein politischer Titel wie „Lampedusa“ könne funktionieren, sagt Wandjo. Das habe Nicoles „Ein bisschen Frieden“ gezeigt. Die Frage sei, ob die Sängerin authentisch rüberbringe, dass das Thema sie bewege. Die Zuschauer dürften nicht das Gefühl bekommen, dass „ein politisches Thema für die leichte Muse gezielt instrumentalisiert“ werde. Dafina Kastrati freut sich schon über kleine Erfolge, etwa dass ihr Video auf der Internetseite des Radiosenders Antenne 1 zu sehen ist. „Wenn ich nicht weiterkomme, bricht keine Welt zusammen. Ich werde weiter Lieder machen. Irgendwann klappt es schon.“

Dafina Kastratis Lied findet sich hier.