Armin Petras versteht sich als Vermittler zwischen Kunst und Publikum, egal ob als Regisseur oder als Intendant. Bei einer Podiumsdiskussion im Festspielhaus überzeugt der Stuttgarter Neu-Intendant.

Salzburg - Er liebt die Konkretion, das Exemplarische, das handgreiflich Fassbare. Er bezeichnet sich als „Mann der Beispiele“ und bleibt im Salzburger Festspielhaus den Beweis nicht schuldig. „Vincent van Gogh hat zeitlebens nur zwei Bilder verkauft“, sagt Armin Petras, „trotzdem wissen wir heute: er ist ein großer Künstler.“ Stimmt. Und es stimmt auch, was der neue Intendant des Stuttgarter Schauspiels, der Ende des Monats seine Probenarbeit am Eckensee aufnimmt, an diesen Satz noch anschließt: „Wenn ich im Herbst eine Arbeit in den Sand setze, kann ich mich nicht mit der Aussicht trösten, dass sie in hundertfünfzig Jahren erfolgreich sein wird“ – einem zu Lebzeiten verkannten Maler bleibe diese Möglichkeit, immerhin, einem Theaterregisseur aber sei sie aus naheliegenden Gründen verwehrt. Deshalb verstehe er sich immer auch als Vermittler zwischen Kunst und Publikum, egal ob als Regisseur oder als Intendant, sagt der wie immer bemützte Petras in dem mit 200 Zuhörern vollbesetzten Gesprächssaal.

 

Ja, auch das macht man gerne bei Festspielen: Podiumsgespräche! Abends gilt’s der Kunst, morgens dem Wort; erst der Praxis, dann der Theorie, in der diese Praxis untersucht und beredet wird. Das intellektuelle Palaver untermauert den Kunstanspruch, es ist eine flankierende Maßnahme, die verhindern soll, dass ein Festival noch weiter in die Eventzone rutscht. Worüber dann im Einzelnen diskutiert wird, ist Nebensache. Hauptsache, es wird diskutiert – und in diesem Fall ist es am Sonntagvormittag die nicht eben taufrische Frage gewesen, wer denn im Bühnengeschäft wem vorzuziehen sei: „Impresario oder Künstler: wer macht das bessere Theater?“

Eingeladen zu dem Gespräch hatte die Hamburger „Zeit“, dessen Herausgeber Josef Joffe die illustre Runde moderierte. Auf dem Podium saßen neben dem braungebrannten, frisch aus dem Urlaub zurückgekehrten Petras noch Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, sowie Alexander Pereira, der Chef der Salzburger Festspiele selbst, der zur nächsten Spielzeit an die Mailänder Scala wechselt. Ergänzt wurde das Männertrio von der Schauspielerin Brigitte Hobmeier, der neuen Buhlschaft im Salzburger ,,Jedermann“ – und nur Regula Gerber fehlte, die ehemalige Mannheimer Generalintendantin, die wegen der Erkrankung ihrer Tochter kurzfristig absagen musste. Wäre sie da gewesen, dann hätte Petras seine Monopolstellung eingebüsst. So aber war er der einzige regieführende Intendant auf dem Podium, mithin das einzige Mischwesen aus Künstler und Impresario, das allein schon durch seine schiere Präsenz zeigte: die Opposition, die im Titel der Veranstaltung behauptet wird, ist eine Scheinopposition. Man kann sehr wohl beides in Personalunion sein, Theaterregisseur und Theaterleiter. Ans Publikum muss Petras in beiden Funktionen denken – und an Politiker, die ihm Geld geben, auch.

Die Titelfrage steht auf dünnen Beinen

Dass die Titelfrage „Impresario oder Künstler?“ also auf dünnen Beinen daher stolzierte und schon bald wegknicken würde, ahnte auch der Moderator. „Das war vorherzusehen“, sagte Joffe, als sich das Gespräch dann vornehmlich um die Finanzierung der Bühnenkunst drehte. Geld macht zwar nicht das bessere Theater, aber zum Nulltarif ist dieses Theater, so oder so, nicht zu haben. Und darüber, wo die Finanzmittel herkommen sollen, gab es unterschiedliche Ansichten. Auf der einen Seite stand der Salzburg-Intendant Pereira, der „die Hälfte seiner Zeit mit Geldbeschaffen“ verbringt und überzeugt ist, dass ohne Sponsoren und Mäzene das Theater künftig nicht mehr zu finanzieren ist. Auf der anderen Seite standen Khuon und Petras, die nichts gegen private Geldgeber einzuwenden haben, aber doch davor warnten, deren Bedeutung für die Theater- und Opernlandschaft zu überschätzen. „Was in Salzburg funktionieren mag, funktioniert in anderen Städten nicht“, wandte Khuon ein, „in Konstanz oder Castrop-Rauxel findet man keine potenten Geldgeber. Die Finanzierung der Kunst muss eine selbstverständliche Aufgabe der öffentlichen Hand bleiben.“

Armin Petras spitzte diese Meinung noch zu. Als der Moderator die „Produktivität“ der Theater erhöhen wollte und auf Beispiele aus der freien Wirtschaft verwies, ließ der gut gelaunte Neu-Stuttgarter jegliche Diplomatie fahren. „Ich finde es eine Frechheit, dass Sie uns mit ökonomischen und kybernetischen Modellen kommen“, warf er Joffe unerschrocken entgegen. In der Tat schien hinter dessen Vorschlägen das zähe Vorurteil zu lauern, dass Künstler nicht mit Geld umgehen können. Tatsache ist: In den vergangenen zehn Jahren hat das deutsche Theater die Zahl der Beschäftigten drastisch reduziert, das Angebot zugleich aber auch drastisch erhöht. So viel zur Produktivität. Und als „Mann der Beispiele“ gab der souveräne Petras dem Salzburger Publikum noch einen weiteren Hinweis mit auf den Weg: „Eine junge Schauspielerin verdient im Stuttgarter Schauspiel 1900 Euro brutto. Allein für ihre Zweizimmerwohnung zahlt sie 700 Euro kalt“ – so viel zum Luxusleben der Künstler. Wo soll man da noch sparen?