Beim Thema Verkehr stehen für die Stadträte harte Entscheidungen an – da nützt auch die neue Vorbildrolle als fußgängerfreundliche Stadt nichts.

Göppingen - Die Stadträte haben lange auf das Ergebnis der Straßenzustandserfassung warten müssen. Wäre ihnen das Ergebnis vorher bekannt gewesen, hätten sie vermutlich gerne noch länger gewartet und sich lieber in Ruhe darüber gefreut, dass das Verkehrskonzept für die Innenstadt derzeit viel Anerkennung im Land erfährt.

 

Doch beim Thema Verkehr ist längst nicht alles eitel Sonnenschein. Wie in der jüngsten Sitzung des technischen Ausschusses bekannt wurde, sind rund vierzig Prozent der Straßen der Stadt in einem zweifelhaften Zustand. Betroffen sind vor allem die Teilorte. Nach den Untersuchungen der Erfurter Firma Lehmann und Partner, die alle Straßen mit einem speziellen Kamerawagen abgefahren hat, geben knapp dreißig Prozent der Straßen Anlass zu intensiver Beobachtung, elf Prozent sind dringend sanierungsbedürftig. Allein um diese elf Prozent in Ordnung zu bringen, müsste die Stadt rund 30 Millionen Euro investieren – fast so viel wie die größten Bauprojekte der vergangenen zehn Jahre gemeinsam verschlungen haben, die neue Mitte und die EWS-Arena.

Belagsanierung rechnerisch nur alle 91 Jahre möglich

Die Stadt steht mit ihrem Problem nicht alleine da. Egal, wo man nachfragt, genug Geld, um ihre Straßen wirklich in Ordnung zu halten, hat keine Kommune – auch wenn das neue kommunale Haushaltsrecht eigentlich vorsieht, dass die Städte und Gemeinden den Wert ihres Besitzes erhalten müssen. „Wir wissen schon lange, dass wir bei den Straßen von der Substanz leben“, sagte der Baubürgermeister Helmut Renftle.

Rein rechnerisch, so der Baubürgermeister, sei es bisher nur möglich gewesen, einer Straße alle 91 Jahre einen neuen Belag zu geben. Die Stadt investiert aktuell rund 0,95 Euro pro Quadratmeter Straße im Jahr in ihr 256 Kilometer langes Verkehrsnetz. Die Empfehlungen für den Mitteleinsatz pro Quadratmeter schwanken hingegen zwischen 1,30 Euro und 1,85 Euro. Der ADAC etwa empfiehlt 1,30 Euro.

Sieben Jahre lang jeweils 4,3 Millionen Euro

Einem jetzt zur Debatte stehenden Sanierungskonzept zufolge müsste die Stadt in den kommenden sieben Jahren jeweils 4,3 Millionen Euro investieren, um ihre Holperpisten in Ordnung zu bringen. „Derzeit stehen uns pro Jahr nur zwei Millionen Euro zur Verfügung“, sagte der Tiefbauamtsleiter Werner Hauser. Mit anderen Worten: wenn die Stadträte wollen, dass die Holperpisten gerichtet werden, müssen sie die Ausgaben mehr als verdoppeln. Mehr noch: aus Hausers Sicht wird die Behebung der Schäden in der Regel umso teurer je länger sie ignoriert werden.

Zumindest im Ausschuss zeigte sich das Gremium deshalb durchaus bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen, obwohl in der Stadt schon jetzt zahlreiche teure Bauprojekte anstehen, am Bahnhof beispielsweise der Neubau des technischen Rathauses.

Stadträte wollen mehr Geld in die Hand nehmen als bisher

Christine Lipp-Wahl (Grüne) mahnte: „Wir müssen nicht nur über Sanierungen nachdenken, sondern auch darüber, wie wir die Straßen schonen können, mit Tempolimits und einer Stärkung des Radverkehrs zum Beispiel.“ Der Rest des Gremiums hingegen sprach zum Teil sogar davon, die Ausgaben auf mehr als die genannten 4,3 Millionen Euro zu erhöhen, um zu verhindern, dass weitere Straßen verfallen.

Der Straßenzustand ist Hauser zufolge aber nicht das einzige Kriterium dafür, wann welche Straße saniert wird. denn es „ist notwendig, Sanierungsabschnitte sinnvoll zusammenzufassen“. Daher könne es vorkommen, dass auch Bereiche, die noch besser erhalten seien, mitsaniert würden. Dennoch stehen die meisten Straßenabschnitte nicht auf der Liste, die zu den 30 Prozent des Netzes gehören die aktuell als kritisch gelten. In welchem Zustand sie in sieben Jahren sind, weiß niemand.

Hohe Kosten allerorten

Landkreis
Die Antwort ist stets die gleiche: alle Stadtverwaltungen sagen, das Geld für die Straßenerhaltung reiche nicht aus, um alles in Ordnung zu halten und selbst wenn man es hätte, gebe es kaum genug Bauunternehmen, die alles sofort abarbeiten könnten. Die Summen die investiert werden sind allerdings sehr unterschiedlich. Die Stadt Eislingen hat ihre Straßen wie Göppingen untersuchen lassen, Ergebnisse gibt es aber noch nicht. Die Kommune investiert in diesem Jahr rund eine Million Euro in die Straßenerhaltung. Die Stadt Geislingen hat im aktuellen Etat 450 000 Euro für Unterhaltungsmaßnahmen eingestellt, weitere 815 000 Euro für größere Sanierungen an vier Straßen.

Region
Die Stadt Waiblingen ist für 400 Kilometer Straße zuständig. Sie gibt im Schnitt zwei Millionen Euro im Jahr oder 1,08 Euro pro Quadratmeter für die Straßenerhaltung aus. Etwa acht Prozent der Straßen sind dringend sanierungsbedürftig. Esslingen investiert in diesem Jahr 2,3 Millionen Euro in die Erhaltung von Straßen und Wegen, das sind 0,95 Euro pro Quadratmeter. Rund ein Viertel muss dringend saniert oder genau beobachtet werden. Das Straßennetz umfasst 270 Kilometer. Böblingen ist für ein Straßennetz von 233 Kilometern zuständig. Dieses soll demnächst untersucht werden. In diesem Jahr gibt die Stadt eine Million Euro aus.