Der Inhaber und Chef der Sanitärgroßhandelsfirma Reisser aus Böblingen, Helmut Reißer, wird am Freitag 80 Jahre alt. „Im Augenblick geht es noch nicht ohne mich“, sagt er.

Böblingen - Gleich unten im Foyer seines Firmengebäudes in Böblingen-Hulb gibt es eine Überraschung: die Besuchertoilette; sie ist gefliest in Pastelltönen, das Waschbecken wirkt klobig, der Raum dunkel und klein. Solche altmodischen Sanitärräume sieht man selten in Unternehmenszentralen, ganz egal in welcher Branche. Die Reisser AG aber ist nicht irgendein Unternehmen, sie gilt als größter Sanitärgroßhändler in Südwestdeutschland. Wenige Meter entfernt von der historisch anmutenden Firmentoilette – in den Ausstellungsräumen für Kunden – kann jedermann sehen, was an Design und Luxus heute in Bädern und Toiletten möglich ist.

 

Helmut Reißer wird am Freitag 80 Jahre alt. Er kann über sich selber lachen. „Sie haben recht, unsere Toilette ist unverändert seit 1971, ich bin so sparsam“, sagt der Inhaber und Chef der nicht börsennotierten AG. „Ich verkaufe lieber die Luxusartikel als immer selbst das Neueste zu haben.“

Wären alle Immobilienbesitzer so genügsam wie Reißer, dann wäre Reißer kein reicher Mann. 460 Millionen Euro wird seine Firma in diesem Jahr umsetzen, 6,5 Millionen Euro Jahresüberschuss wurden zuletzt veröffentlicht, die Eigenkapitalquote in seiner Bilanz liegt bei satten 55 Prozent. „Die gute Laune fängt morgens im Bad an“, sagt der Jubilar einen seiner Werbesprüche auf. Sollte der Slogan zutreffen, dann müsste es beim Chef zuhause morgens übellaunig zugehen. „Oje, mein Bad zuhause ist auch sehr alt; meine Frau hat Angst, dass die Handwerker Dreck machen.“

Eine der letzten Branchen, in denen Großhandel funktioniert

Dabei sollte Frau Reißer sich eigentlich über jede Aktivität von Installateuren freuen, sind sie es doch, die die Kassen des Böblinger Familienunternehmens klingeln lassen. Mehr als 10 000 Klempner in Baden-Württemberg, der Pfalz und Südhessen beziehen Heizungsanlagen, Gasthermen, Spülen, Kacheln und Toiletten bei Reisser. „Wir sind eine der letzten Branchen, in denen der Großhandel noch funktioniert“, sagt Reißer. „In den meisten anderen Branchen beziehen die Handwerker oder Einzelhändler alles direkt vom Hersteller.“ Dass die Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik – wie der Beruf heute heißt – nach wie vor beim Großhändler einkaufen, hat zwei Gründe: Zum einen bieten einige große Hersteller kein Direktgeschäft an, weil das ihnen zu kleinteilig und aufwendig ist. Zum anderen muss es bei Wasser- oder Heizungsschäden naturgemäß schnell gehen. Hier kommt der Großhändler ins Geschäft: er hält von jedem Artikel nämlich stets ausreichende Mengen vor und versorgt die Installateure damit kurzfristig. „Mit unseren 200 Lkws können wir zweimal am Tag ausliefern.“

Momentan laufen die Geschäfte der Reisser AG prächtig, da bei Installateuren Hochkonjunktur herrscht. „Es ist sogar so, dass viele Installateure gerade viele Aufträge ablehnen, weil sie keine Zeit mehr haben“, sagt Reißer und schaut traurig. Er weiß aber auch, dass der Bauboom die Folge der Eurokrise und die daraus resultierende Sorge vieler Menschen um ihr Erspartes ist. Der 80-Jährige denkt nach vorne: „Es wird künftig schwieriger, wir wissen heute noch nicht, was die Schuldenkrise für Auswirkungen haben wird, wir werden sie auf jeden Fall aber noch spüren.“

Dabei bezieht er sich selbst mit ein. Reißer denkt überhaupt nicht ans Aufhören. „Mein Vater war hier auch Chef bis er mit 79 gestorben ist.“ Reißers Tochter ist nicht im Unternehmen, dafür aber sein Schwiegersohn, das zweite Mitglied im zweiköpfigen Vorstand. Wer aber wird das Unternehmen künftig leiten? „Ich möchte noch etwas zuwarten mit der Entscheidung“, sagt Reißer. „Im Augenblick geht es noch nicht ohne mich.“ Wer das Funkeln in seine Augen sieht, nimmt ihm ab, dass er nach wie vor mit Begeisterung bei der Sache ist. Er nutzt zwar keinen Computer, aber inzwischen ein Handy, „weil ich es nicht so gerne habe, wenn etwas an mir vorbeiläuft.“

Gut möglich sogar, dass der Stabwechsel erst in einigen Jahren vollzogen wird, schließlich hat der Chef neuerdings seine 16-jährige Enkelin als Nachfolgerin im Auge. „Es wäre toll, wenn meine Enkeltochter das hier alles übernehmen könnte.“ Dass der 80-Jährige durchaus in der Lage ist, die Sprache der Jugend zu sprechen, beweist er, als er auf die Erlöse angesprochen wird: „Ich bin nicht umsatzgeil, ich schaue mehr auf den Ertrag.“ 80 Jahre wird Reißer am Freitag; er lacht. „Man ist so alt wie man sich fühlt.“ Wie alt sind Sie dann, Herr Reißer? „Vielleicht 70.“ Kurze Pause. „Oder 69.“