Etwa fünf Jahre hat der Rechtsstreit um geklaute Daten zwischen den beiden Software-Konzernen SAP und Oracle gedauert: Auch wenn SAP nun 306 Millionen Dollar zahlt, zeichnet sich das nächste Verfahren schon ab.

Stuttgart - Rund fünf Jahre hat der Rechtsstreit um geklaute Daten zwischen SAP und Oracle gedauert – nun haben sich die beiden Software-Konzerne auf einen Kompromiss geeinigt: 306 Millionen Dollar (251 Millionen Euro) an Schadenersatz zahlen die Walldorfer an ihren US-Rivalen. „SAP ist der Auffassung, dass dieser Fall lange genug läuft“, erklärte ein Unternehmenssprecher am Freitag. Um das Verfahren endlich zu einem vernünftigen Abschluss zu bringen, habe man der Übereinkunft zugestimmt. „Obwohl wir der Meinung sind, dass die 306 Millionen Dollar zu viel sind für den entstandenen Schaden“, so der SAP-Sprecher. Dem Kompromiss muss jedoch noch ein Gericht aus formalen Gründen zustimmen. Die SAP rechnet damit, dass dies bereits in wenigen Tagen geschehen könne.

 

Ob das seit dem Jahr 2007 laufende Verfahren dadurch aber wirklich ein Ende findet, bleibt vorerst offen. „Es bleibt Oracle überlassen, sich für eine Berufung zu entscheiden“, sagte der SAP-Sprecher. Denn der Kompromiss schließe lediglich das Kapitel über den tatsächlich entstandenen Schaden für Oracle. Dieser Schaden soll dem im US-Bundesstaat Kalifornien ansässigen Datenbank-Spezialisten dadurch entstanden sein, dass die mittlerweile geschlossene SAP-Tochter Tomorrow Now im Rahmen der erlaubten Software-Wartung für gut 300 Kunden mit Oracle-Software illegal auf Datenbanken von Oracle zugegriffen hat. SAP übernahm nach anfänglichen Dementis die Verantwortung für die Fehltritte der US-Tochter und entschuldigte sich bei Oracle.

Oracle beruft sich auf hypothetischen Schaden

Die Kalifornier berufen sich aber über den tatsächlich entstandenen auch auf einen hypothetischen Schaden. Dieser soll sich wiederum dadurch ergeben haben, dass SAP diese illegal erlangten Informationen genutzt habe, um Kunden abzuwerben, indem Leistungen wie die Wartung von Software zu geringeren Preisen angeboten wurden. Aus Sicht der SAP stellt Oracle mit dieser Argumentation das gesamte Geschäft der Softwarewartungen durch Dritte in Frage. „Das würde damit ad absurdum geführt“, so der SAP-Sprecher. Dennoch könne Oracle diese Schadenersatztheorie nochmals ins Feld führen.

Ersten Reaktionen aus Kalifornien zufolge ist dies nicht unwahrscheinlich, auch wenn sich Oracle bislang nicht im Detail über sein weiteres Vorgehen geäußert hat. Zwar will Oracle den 306-Millionen-Dollar-Kompromiss akzeptieren und ist wie SAP der Meinung, dass die Einigung „Zeit und Geld“ spare – teilt andererseits aber mit: „Oracles einstimmiges Jury-Votum mit einer Zahlungsaufforderung von 1,3 Milliarden Dollar kann nun sofort vor das Berufungsgericht gebracht werden.“ Zur Zahlung dieser Summe hatte ein kalifornisches Gericht im Jahr 2010 den Walldorfer Softwareriesen erstinstanzlich verurteilt. Später wurde die Summe von einer Richterin deutlich nach unten geschraubt.

Experten sehen Oracles Rolle kritisch

Auch zahlreiche Branchenkenner halten die Summe für überzogen. „Die 1,3 Milliarden Dollar sind lächerlich hoch“, sagte der IT-Analyst Donald Feinberg vom Marktforscher Gartner gegenüber der StZ. Seiner Meinung nach geht es Oracle bei dem Rechtsstreit auch nicht primär ums Geld, sondern darum, mit den Urteilen gegen den Erzrivalen SAP angeben und den Walldorfern damit auch Kunden abspenstig machen zu können. „Oracle kann sagen: wir haben SAP vor Gericht besiegt“, so Feinberg. Jedoch habe diese Rhetorik seiner Meinung nach keinerlei Einfluss auf die Kunden von SAP.

Was das Gebaren von Oracle zudem erklären könne, sei, dass andere Unternehmen, die sich in ähnlicher Weise verhalten würden wie einst Tomorrow Now, durch den öffentlichkeitswirksamen Prozess gegen SAP abgeschreckt würden, so Feinberg. „Oracle signalisiert den anderen damit, dass sie sich besser äußerst vorsichtig verhalten sollten.“

Chronologie des Prozesses

Die Verfehlungen, um die es im Rechtsstreit zwischen Oracle und SAP geht, liegen lange zurück: Die Mitarbeiter der 2005 übernommenen und mittlerweile geschlossenen SAP-Tochterfirma Tomorrow Now hatten unrechtmäßig Updates bei Oracle heruntergeladen. Die Staatsanwaltschaft von San Francisco kam bei ihren Ermittlungen auf mindestens 6249 Fälle und brummte SAP im vergangenen Jahr eine Strafe in Höhe von 20 Millionen Dollar auf, die die Walldorfer auch klaglos zahlten.

Parallel dazu lief seit 2007 die zivilrechtliche Klage von Oracle vor einem kalifornischen Gericht. SAP gestand nach anfänglichem Zögern den Datenklau ein, bezifferte den Schaden aber nur auf 40 Millionen Dollar, Oracle hingegen auf 1,7 Milliarden. Ende 2010 wurde SAP zur Zahlung von 1,3 Milliarden Dollar Schadenersatz verurteilt.

Ein Berufungsgericht kassierte den Juryspruch 2011 als „völlig überzogen“ und kürzte die Strafe auf 272 Millionen Dollar, die Oracle bis zur aktuellen Wende als zu niedrig ablehnte.