Das Motto des Magazins: Immer feste druff! Nachdem der Papst das Juli-Heft der „Titanic“ verbieten ließ, erscheint am Freitag nun die neue Ausgabe – wieder mit dem Papst auf dem Titelbild. Auch wenn nicht jeder die Respektlosigkeiten der Satiriker mag: aushalten sollte man sie schon.

Stuttgart - Halleluja im Vatikan“, steht auf dem Titelblatt der „Titanic“, Benedikt XVI. breitet dazu weltumfassend die Arme aus. Die Julinummer des selbst ernannten „endgültigen Satiremagazins“ spielt auf die Vatileaks-Affäre an und verrät den Jubelgrund: „Die undichte Stelle ist gefunden!“ Unter diesem Satz und unter der päpstlichen Gürtellinie breitet sich nämlich ein gelber Fleck auf der weißen Soutane aus. Die Rückseite des Hefts zeigt den Papst auch von hinten, diesmal mit braunem Fleck und dem Satz: „Noch eine undichte Stelle gefunden!“ Benedikt XVI. selbst – ein bisher einmaliger Vorgang – hat gegen diese Darstellung Rechtsmittel eingelegt, die Verbreitung der Bilder ist vom Landgericht Hamburg verboten worden. „Titanic“ hat es also wieder mal geschafft, mit seinen Schlagzeilen in die der anderen Medien zu kommen. Die am Freitag erscheinende Augustausgabe ist wieder mit einem Papst-Titelblatt angekündigt.

 

Seit 1979, seit seiner Gründung durch ehemalige „Pardon“-Mitarbeiter, hat „Titanic“ mehr als fünfzig Gerichtsverfahren durchstehen müssen, mehr als dreißig Ausgaben wurden verboten. Als Björn Engholm, der nach einer Politikaffäre 1993 zurückgetretene Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, sich 1995 wegen einer bösen Covermontage ein Schmerzensgeld von 40 000 Mark erstritt, wäre das Magazin mit dem sinkenden Titelschriftzug fast untergegangen. Noch ein bisschen mehr Geld, nämlich 600 Millionen, wollte der DFB als Schadenersatz, weil „Titanic“ mit einer albernen, aber ernst genommenen Bestechungsaktion die deutsche Bewerbung für die Fußball-WM 2006 torpediert habe. Tatsächlich erklärte damals der neuseeländische Fifa-Vertreter, das per Fax vermittelte Angebot – unter anderem eine Kuckucksuhr – habe zu seiner Stimmenthaltung geführt. So dass das Sommermärchen von „Titanic“ also nicht verhindert, sondern wohl erst ermöglicht wurde.

Die legendären Gründungsmitglieder der „Titanic“ finden sich noch im Impressum, auch wenn sie inzwischen, so wie Robert Gernhardt, F. K. Waechter oder Chlodwig Poth, verstorben sind oder, wie F. W. Bernstein oder Hans Traxler, nicht mehr oder nur noch selten Beiträge liefern. Das Magazin, das an der alten Rechtschreibung festhält, ist nämlich traditionsbewusst, es stellt jeder Ausgabe noch immer Poths Anti-Springer-Spruch „Die endgültige Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag“ voran. Und es sieht sich immer noch im Geist der Neuen Frankfurter Schule (NFS), bei welcher der Name immer mehr war als nur eine läppische Anspielung. „Die Säulen der NFS ruhen durchaus auf jenen der Kritischen Theorie“, hat der Schriftsteller Eckhard Henscheid erklärt und in seinen Arbeiten bestätigt, etwa in seinen Anekdoten vom Huberbauern: „Was machst nachad du da? – I les. – Ja, freili, des siag i scho. Aba was liestn? – ,Minima Moralia‘. Vom Adorno.“

Rilke und die Verdauung

Jawohl, die in einer Auflage von 100 000 Exemplaren erscheinende „Titanic“ ist auf ihre Weise elitär, sie fordert Bildung, spielt mit Metaebenen und führt ihren Humor manchmal in so absurde Höhen, dass nicht mehr alle Leser mitkommen. In der unter dem Pseudonym Hans Mentz verfassten und mit Adorno-Porträt versehenen Kolumne „Humorkritik“ mistet „Titanic“ dann unerbittlich in den Niederungen des Komischen aus, und in der spöttisch gewendeten Rubrik „Briefe an die Leser“ werden jene geschmäht, die es ernst meinen. Ungehemmt drauf, ohne Ansehen von Rang und Namen! Im inkriminierten Heft sind Matussek, Martenstein, Merkel und Wallraff dran.

Nein, diese Angriffe werden nicht immer mit dem Florett hingestichelt, da wird auch brachial abgewatscht, etwa wenn Claudia Roth die U-Boot-Lieferungen nach Israel stoppen will: „Mit Arschbombe, oder wie?“ Überhaupt verbindet „Titanic“ die Hochkultur gerne mit pubertären Rüpeleien: „Rilke hat geschissen wie ein Weltmeister.“ Und ja, in anderen Redaktionen muss man sich von solchen Geschmacklosigkeiten zwar distanzieren, könnte aber trotzdem neidisch sein: Diese „Titanic“ traut sich noch was! Wobei man gegen den Papst-Titel sogar Karl Kraus, sonst eher Vorbild des Magazins, mit einem keineswegs als Lob gemeinten Zitat ins Feld führen könnte: „Nichts wird dem deutschen Humoristen zum größeren Erlebnis als die Vorgänge der Verdauung.“ Und wenn ein Kommentator schreibt, dass es sich beim Papst-Cover um ein gefährliches Spiel handle, weil Inkontinenz „die durch den körperlichen Verfall bedingte Unmündigkeit symbolisiert, welche aus den Erwachsenen Witzfiguren macht“, kann man nur zustimmen.

Nein, man muss wirklich nicht alles mögen, was uns die „Titanic“ so vorwirft. Aber man muss dieses Satiremagazin aushalten, schließlich arbeitet es mit an dieser Demokratie, reizt deren Freiheiten aus, testet ihre Grenzen. Die „Titanic“ ist auch rechthaberisch, sie hat sich noch nie ernsthaft entschuldigt. In Sachen Papst-Ausgabeverbot hat sie natürlich längst Widerspruch eingelegt. In allerletzter Instanz will sie sich sogar vor eine religiöse Institution begeben: vor das Jüngste Gericht.