Hundertzwanzig Bilder, Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart: Das Württembergische Landesmuseum in Stuttgart zeigt die Schau „Kunstschätze aus Hohenlohe“.

Stuttgart - Am bekanntesten sind die Schweine. Selbst Vegetarier denken bei Hohenlohe zuerst an die schwarz gefleckten schwäbisch-hällischen Borstenviecher, die besonders von Gourmetköchen geschätzt werden. Doch im Nordosten Baden-Württembergs gibt es nicht nicht nur Säue, sondern auch Perlen. Und die bringt das Landesmuseum Württemberg nun zum Glänzen. Erweitert um Leihgaben der Privatsammlungen Max Kade und Reinhold Würth, öffnet die Sonderschau „Kunstschätze aus Hohenlohe“ im Landesmuseum die Schatztruhen jenes Adelshauses, dem die Gegend ihren Namen verdankt. Über mehrere Jahrhunderte regierte an Kocher, Jagst und Tauber die genealogisch komplex verästelte Grafen- beziehungsweise Fürstenfamilie von Hohenlohe.

 

Hundertzwanzig Bilder, Skulpturen und kunsthandwerkliche Objekte vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart summieren sich zum Panorama einer unterschätzten Kulturlandschaft. Der Parcours durch neun Säle im Stuttgarter Alten Schloss findet über weite Teile den richtigen Mix aus Spannendem, Informativem und Kuriosem. Nur beim Schlusskapitel verhebt man sich an dem Experiment, auch moderne Kunst zu integrieren. Doch dazu später.

Das Entree der Ausstellung wurde zur Ahnengalerie, in der die längst abgedankten Vertreter des Herrschergeschlechts noch einmal Hof halten dürfen. Im Ornat ihrer einstigen Macht und im Stil der jeweiligen Epoche. Fürst zu Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein etwa posiert für einen unbekannten Porträtisten mit Rüstung, Feldherrenstab und Hermelin als hohenlohischer Sonnenkönig. Dass der Fernblick im Hintergrund auf das nach Versailler Vorbild erbaute Schloss Bartenstein fällt, ist ein gewolltes Detail der absolutistischen Selbstinszenierung. Erbprinz Ludwig Aloys hingegen kommt in der Uniform der französischen Armee angeritten. Schließlich focht er unter Napoleon, während es sein Vorfahr Graf Philipp in den niederländischen Befreiungskriegen mit den Spaniern aufnahm. Und wie in jedem Adelsgeschlecht gab es neben den soldatischen auch die klerikalen Karrieren. So schrieb Kardinal Gustav Adolf zu Hohenlohe-Schillingsfürst, den Giulio Tadolini statuarisch verewigt hat, Kirchengeschichte mit seiner Kritik am päpstlichen Unfehlbarkeitsdogma.

Doch sie haben nicht nur Schlachten geschlagen und Staatsgeschicke gelenkt, sondern es sich auch richtig gut gehen lassen. Die Räume, die anhand von Möbeln, Kostümen und Geschirr höfische Alltagskultur rekonstruieren, sind die interessantesten der Schau. Hier spiegelt sich Welthistorie im familiären Erinnerungsstück. Dem abgewetzten Hut zum Beispiel. Er ruhte einst auf dem Haupt des Schwedenkönigs Gustav II. Adolfs. Der Protestantenführer im Dreißigjährigen Krieg beschäftigte einen Hohenloher Grafen als Kammerherren und tauschte mit ihm zum Zeichen freundschaftlicher Verbundenheit die Kopfbedeckungen.

Immer wieder erzählen die Kuratoren Fritz Fischer und Inke Beckmann solche Episoden aus der Hohenloher Vergangenheit. Bettgeschichten wie die einer heraldisch reich bestickten Schlafstatt. Oder Krankengeschichten wie die vom qualvoll gestorbenen Grafen, aus dessen Leichnam der Obduzent einen faustgroßen Blasenstein herausschnitt. Medizinische Denkwürdigkeit und Memento Mori zugleich, bekam der Harnkristall ein Ehrenplätzchen in der schlosseigenen Kunst- und Wunderkammer. Und nicht zuletzt findet sich in den Annalen des Hauses Hohenlohe auch noch eine handfeste Kriminalgeschichte: die der Katharina zu Hohenzollern-Sigmaringen. Nach dem Tod ihres Mannes trat sie in ein italienisches Kloster ein, wo man versuchte, die Deutsche zu vergiften, weil sie gedroht hatte, dem Papst vom lesbischen Lotterleben der Mitschwestern zu berichten.

Als Mäzene und Kunstsammler legten die Hohenloher Landesherren das Augenmerk auf skulpturale Kunst. So dominieren die blitzenden Silberfiguren von Heinrich Jonas, die präzisen Elfenbeinschnitzereien Johann Michael Mauchers und die geschmeidig modellierten Statuetten von Leonhard Kern, dem im 17. Jahrhundert profiliertesten Künstler der Region. Dem schockierenden Gewaltnaturalismus einer Menschenfresserin verlieh Leonhard Kern ebenso souverän Ausdruck wie der schwellenden Körperlichkeit einer Graziengruppe.

Nach dem Ende der feudalen Herrlichkeit ging das Ethos des Sammelns und Förderns an die neuen bürgerlichen Eliten in Hohenlohe über. Exemplarisch kontrastiert die Ausstellung den Hohenloher Fürstenschatz mit den privaten Kollektionen von Max Kade und Reinhold Würth. Trug der Haller Hustensaft-Millionär Kade (1882-1967) als engagierter Liebhaber ein bedeutendes Konvolut an altmeisterlicher Grafik zusammen, gilt der Schraubenfabrikant Würth mit seinen Privatmuseen in Künzelsau, Schwäbisch Hall und anderen Standorten als führender deutscher Großsammler der Gegenwart.

Während sich Kades erlesene Blätter von Rembrandt, Lucas van Leyden oder Albrecht Dürer noch bruchlos in den kabinettsstillen Gesamtcharakter der Schau einfügen, poltern die Würth’schen Leihgaben mit lauter Blockbuster-Kunst durch die letzten beiden Säle. David Hockneys grün sprühender Terrassenausblick, Max Beckmanns meeresfrische „Quappi in Blau im Boot“ und Andy Warhols 1986 entstandene Abwandlung der frühen Suppendosenbilder, dazu draußen im Schlosshof Georg Baselitz’ grobklotzige Neuinterpretation der Drei Grazien. Deren Titel „BDM-Gruppe“ bezieht sich sarkastischerweise auf den „Bund deutscher Mädchen“, eine weibliche Unterformation der Hitlerjugend.

Gewiss alles Werke, an denen Preisschildchen mit vielen Nullen geklebt haben, doch sie wirken willkürlich aus dem Angebot herausgegriffen. Würths biografische Verwurzelung in Hohenlohe ist das einzige erkennbare Bindeglied zum Oberthema.

Man muss Bildern Zeit geben, um mit der Region ihrer Besitzer zu verwachsen. Auch bei Mona Lisa hat es lange gedauert, bevor sie wirklich zum Pariser Kulturprofil dazugehörte. Und so ähnlich wird es in Hohenlohe sein. In ein paar hundert Jahren ist dann vielleicht Beckmanns „Quappi“ die Mona Lisa von Künzelsau. Bekannter als die Schweine.