Wenn die Südumfahrung Plieningen entlang der neuen Bahntrasse gebaut ist, soll die Scharnhauser Straße für den Autoverkehr gesperrt werden. Das gefällt nicht jedem.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Plieningen - Dieter Fröschle hat die Angelegenheit erst einmal eine Weile liegen lassen. „Ich wusste nicht so recht, wie ich es anpacken soll“, sagt der Plieninger. Nach einem Gespräch mit der Bezirksvorsteherin wusste er es und hat die jüngste Sitzung des Bezirksbeirats besucht. Er erklärte den Lokalpolitikern, weshalb er sich gegen die Sperrung der Scharnhauser Straße sperren will – so sie denn eines Tages politisch beschlossen werden sollte.

 

Bis zur Straßensperrung dauert es noch

Die Stadt Stuttgart wird dem Gemeinderat in ein paar Jahren vorschlagen, den Teil der Scharnhauser Straße zwischen dem Ortsschild Richtung Scharnhausen und dem Abzweig nach Kemnat für den Autoverkehr dicht zu machen. Das bestätigt der Stadtplaner Arne Seyboth, den das Thema schon lange begleitet. Bis es so weit ist, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen. Denn die Straßensperrung geht mit einem anderen Projekt einher. Es geht um die geplante Südumfahrung von Plieningen, die im Zuge der Stuttgart-21-Bahntrasse gebaut werden soll. Der neue Kilometer Straße soll stets den Schienen entlang verlaufen und eine Direktverbindung zwischen Neuhausen und Echterdingen herstellen; dieses Straßenstück soll die äußere Neuhauser Straße ersetzen. Dort klagen Anwohner seit Jahrzehnten über den Verkehrslärm vor ihren Häusern.

Sobald die neue Straße offen ist, will die Stadt dem Gemeinderat vorschlagen, sowohl die äußere Neuhauser als auch die Scharnhauser Straße zu sperren. Während die Neuhauser Straße vom Ortsschild an in einen Feldweg umgewandelt werden soll, sollen auf der Scharnhauser Straße weiterhin Busse, Traktoren und Radler fahren.

Er will die Bevölkerung aufrütteln

Für den Plieninger Dieter Fröschle ist dies kein Trost. Er wohnt an der Allgäustraße und nutzt die Scharnhauser Straße, wenn er nach Scharnhausen zum Einkaufen fährt. Derzeit legt er je Strecke knapp drei Kilometer zurück, wäre die Straße zu, wäre er rund viereinhalb Kilometer unterwegs. Fröschle argumentiert zudem mit dem Krankenhaus Ruit, dorthin sind es von der Allgäustraße aus laut Routenplaner aktuell 7,4 Kilometer und über die neue Straße etwas mehr als neun Kilometer.

Fröschle will die Bevölkerung aufrütteln, wie er sagt. „Ich allein schaffe das nicht. Doch das betrifft letztlich alle Plieninger“, sagt er. „Ich habe das Gefühl, der Bevölkerung ist gar nicht klar, was das bedeutet.“ Aus seiner Sicht: mehr Umstände. Der Plieninger fragt sich, was die neue Südumfahrung für Plieningen mit der Scharnhauser Straße zu tun hat. „Man kann sie doch trotzdem offen lassen.“

Arne Seyboth vom Stadtplanungsamt ist über diese Idee verwundert. „So wie ich das verstanden habe, war die Reihenfolge der Entscheidungen umgekehrt“, sagt er. „Es ging zuerst darum, die Ortsmitte von Plieningen zu entlasten. Deshalb sollte eine Umfahrungsmöglichkeit geschaffen werden, die es erlaubt, die Scharnhauser Straße zu sperren.“ Bisher seien die Entscheidungsträger einig gewesen, dass die Entlastung der Ortsmitte Umwege für Einzelne rechtfertige.

Die neue Straße hängt von Stuttgart 21 ab

Stand heute ist die Sperrung der Scharnhauser Straße Zukunftsmusik. Denn die geplante Südumfahrung für Plieningen – die dann eine Direktverbindung außerorts zwischen Echterdingen und Neuhausen herstellt – hängt auch vom Großprojekt Stuttgart 21 ab. Die Straße wird gemeinsam mit dem Bauabschnitt 1.3a behandelt, und beides ist nach wie vor nicht amtlich. Sollte die Straße in ein paar Jahren gebaut sein, wird sie wohl zunächst nicht für den normalen Verkehr freigegeben werden. Seyboth geht davon aus, dass sie als Baustraße für die Bahntrasse genutzt wird.

Als wäre dies nicht schon kompliziert genug, werden die Bürokraten auch mit der Scharnhauser Straße reichlich zu tun haben. Die Stadt muss ein Einziehungsverfahren anleiern (siehe Textende). Ein Verfahren, das für größere Straßenabschnitte wie die Scharnhauser Straße selten vorkomme, wie Daniel Hartenstein vom Tiefbauamt sagt. „Die letzte größere Teileinziehung war beispielsweise die Hofener Straße.“

Der Plieninger Dieter Fröschle will auf Nummer sicher gehen. Je früher sich der Protest organisiere, desto besser. „Das Volk ist träge“, sagt er. „Letztlich ist es in den meisten Fällen dafür zu spät.“

Einziehungsverfahren

Eine Straße darf dem Autoverkehr nicht einfach so weggenommen werden, eine Verwaltung muss zunächst glaubhaft machen, dass die Straße entbehrlich ist oder dass die Sperrung dem Wohl der Allgemeinheit dient. Dies dauert nach den Erfahrungen des Stuttgarter Tiefbauamts – bei der Stadt fürs Verfahren zuständig – in der Regel circa vier Monate. Teil des Prozederes ist, dass Bürger Widerspruch einlegen können. Grundlage für das Einziehungsverfahren ist das Straßengesetz für Baden-Württemberg, Paragraf sieben. Mit der Einziehung verliert die Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße