Mehr als fünfzig Prozent der jungen Spanier ist arbeitslos. Auch deshalb haben die Bildungsminister von Deutschland und Spanien, Schavan und Ortega, bei einer Ausbildungskonferenz in Stuttgart einen engen Austausch vereinbart. Die duale Bildung gilt als Modell.

Stuttgart - Beim Fußball ist Spanien der Europameister, beim Arbeitsplatzangebot für Jugendliche ist es Deutschland. Auf der deutsch-spanischen Ausbildungskonferenz am Mittwoch im Stuttgarter Rathaus lobte der aus Madrid angereiste Bildungsminister José Ignacio Wert Ortega das hiesige Schulsystem über den grünen Klee. Er sowie seine Amtskollegin, Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU), halten das duale System der Berufsausbildung für einen Schlüssel zum Erfolg: „Deutschland ist damit ein Vorbild für Spanien und ganz Europa“, sagte Ortega. Er war es gewesen, der schon im Mai die Bildungskonferenz mit Schavan angeregt hatte, um sich Ideen und Ratschläge aus Deutschland zu holen.

 

Anregungen holten sich die beiden Politiker vor der Konferenz im Ausbildungszentrum von Daimler-Chrysler in Esslingen. Auch Spanien will Elemente des dualen Systems – des Nebeneinanders der Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen – einführen. Denn die Unterschiede sind gravierend, und sie sind wohl nicht allein der allgemeinen von der Immobilienblase ausgelösten Krise in Spanien zuzuschreiben: die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien liegt bei 52,1 Prozent. Deutschland hat mit 7,9 Prozent die geringste Jugendarbeitslosigkeit Europas.

Enge Kooperation bei der beruflichen Bildung

Gemeinsam mit Schavan unterzeichnete Ortega eine Vereinbarung, die eine enge Kooperation beider Staaten bei der beruflichen Bildung vorsieht. Dabei geht es vor allem um den Transfer von Knowhow: um den Austausch von Experten, die Ausbildung von Berufsausbildern und den Schulterschluss von deutschen und spanischen Unternehmen beim Aufbau einer dualen Berufsausbildung. Es existieren laut Ortega bereits Modellprojekte der dualen Ausbildung im Baskenland sowie bei einigen deutschen Firmen in Spanien. Überdies wollen sich Berlin und Madrid dafür starkmachen, dass die EURES-Datenbank, über die europaweit Arbeitsplätze vermittelt werden, künftig auch als europaweite Börse für Ausbildungsplätze genutzt wird. „Wegen des Fachkräftemangels gibt es für spanische Jugendliche in Deutschland interessante Ausbildungsmöglichkeiten“, sagte Schavan, betonte aber gleichwohl, dass diese Konferenz nicht vorrangig die Frage gestellt habe, „wie wir möglichst viele Spanier nach Deutschland kriegen“.

Immerhin gibt es einige Initiativen, die junge Iberer zur Ausbildung nach Deutschland locken. So hat die Industrie- und Handelskammer Karlsruhe ein Programm aufgelegt, mit dem Spanier für ein dreimonatiges Praktikum angeworben werden – mit der Aussicht auf eine Lehrstelle. Ministerin Schavan berichtet auch von einer Idee in Mecklenburg-Vorpommern, wo sich 100 Hotels zusammengetan hätten, um europaweit 250 Ausbildungsplätze im Hotel- und Gastronomiegewerbe auszuschreiben.

„Euro-Starter“

Der Gastgeber der Ausbildungskonferenz, Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU), betonte auch die Rolle der Kommunen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. So sei die Stadt Stuttgart Ausbilder von 1100 jungen Leuten in 40 Berufen. Dem vor einem harten Sparkurs stehenden Spanien, auch Einschnitte im öffentlichen Dienst sind geplant, wird der Hinweis vermutlich wenig helfen. Nützlicher könnte Schusters Anregung sein, europäischen Jugendlichen im öffentlichen und sozialen Bereich eine Art „freiwilliges soziales Jahr“ anzubieten, bei dem der Arbeitgeber die Kosten für die Sozialversicherung, Fortbildung, Essen und Fahrtkosten übernimmt. „Euro-Starter“ heißt das Programm. Das monatliche Taschengeld von 300 Euro sollte aus dem Europäischen Sozialfonds bezahlt werden, sagt Schuster, der sich als Präsident des Dachverbandes Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) den Blick über den Stuttgarter Talkessel bewahrt hat.

Schavan und Ortega verwiesen auf den kürzlich verabschiedeten „Pakt für Wachstum und Beschäftigung in Europa“, der Mittel von 120 Milliarden Euro enthält. Rund 55 Milliarden Euro aus dem Europäischen Sozialfonds sollten für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit genutzt werden, meinen sie. Wohin das spanisch-deutsche Tandem in Sachen Bildungspolitik steuert, soll bei bilateralen Regierungsgesprächen im September in Madrid festgelegt werden. Der spanische Minister Ortega wollte auf Nachfragen der Presse nicht ausmalen, was passiert, wenn die hohe Jugendarbeitslosigkeit ein Dauerphänomen wird: „Eine Gesellschaft, die den Menschen keine Arbeit bieten kann, ist eine gescheiterte Gesellschaft“, sagt er. „Aber ich bin mir sicher, dass wir diese dramatische Lage überwinden werden.“