Weißer Rauch bei der Schlichtung im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes: Die Schlichtungskommission verständigt sich auf massive Lohnsteigerungen. Nun muss wieder verhandelt werden.
In der idyllischen Abgeschiedenheit eines Urlaubsdomizils – in Göhren-Lebbin an der Mecklenburgischen Seenplatte – ist womöglich das friedliche Ende im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes vorbereitet worden, wenn das Schlichtungsergebnis letztlich von den Tarifparteien akzeptiert wird. Am Freitagabend sind die Beratungen über Lohnsteigerungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen abgeschlossen worden. Die Schlichtungskommission habe der Empfehlung „mit überwiegender Mehrheit zugestimmt“, hieß es am Samstagvormittag.
Im Kern heißt das: Den Beschäftigten soll ein steuer- und sozialabgabenfreies Inflationsausgleichsgeld von insgesamt 3000 Euro gezahlt werden – beginnend mit einer Sonderzahlung von 1240 Euro im Juni 2023. In den Monaten Juli 2023 bis einschließlich Februar 2024 sollen dann monatliche Sonderzahlungen in Höhe von 220 Euro geleistet werden.
Die Tabellenentgelte würden vom 1. März 2024 an zunächst um einen Sockelbetrag von 200 Euro und anschließend um 5,5 Prozent erhöht. Dabei soll mindestens ein Erhöhungsbetrag von 340 Euro erreicht werden. Die Laufzeit der Vereinbarung beträgt 24 Monate von Januar 2023 an.
„Wir sind als Schlichter einen neuen Weg gegangen“, sagte der Vorsitzende der Kommission, Hans-Henning Lühr, der von den Gewerkschaften benannt worden war. „Für 2023 gibt es einen Inflationsausgleich, ab 1. März 2024 einen Sockelbetrag verbunden mit einer linearen Erhöhung – der Mix ist ein fairer Interessenausgleich, für den natürlich auch viel Geld in die Hand genommen werden muss.“ Dies sei aber eine gute Investition in einen zukunftsfähigen öffentlichen Dienst, sagte der ehemalige Bremer Staatsrat.
Der Schlichter der Arbeitgeberseite trägt das Ergebnis mit
Der von den Arbeitgebern aufgebotene zweite Vorsitzende der Kommission, Sachsens früherer Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU), ergänzte in einer gemeinsamen Mitteilung aller Beteiligten: „Unter Berücksichtigung der hohen Inflationsraten, der Interessen der Beschäftigten, aber auch der Steuer- und Gebührenzahler kann ich trotz der ungewöhnlichen Höhe die Empfehlung der Schlichtungskommission mittragen und hoffe auf eine schnelle und einvernehmliche Regelung des Tarifkonflikts auf dieser Basis.“
Gesonderte Vereinbarung für Studierende, Azubis und den Nahverkehr
Studierende, Auszubildende sowie Praktikanten können im Juni 2023 ein Inflationsausgleichsgeld von 620 Euro und ab Juli 2023 bis Februar 2024 monatlich 110 Euro erwarten. Die Ausbildungsentgelte würden für sie ab März 2024 um 150 Euro angehoben.
Für Beschäftigte, die unter den Tarifvertrag Nahverkehr (TV-N) der kommunalen Arbeitgeberverbände unter anderem in Baden-Württemberg fallen, könnten die Tabellenentgelte um 200 Euro als Sockelbetrag und anschließend um 5,5 Prozent angehoben werden. Die Erhöhung soll in jedem Fall 340 Euro betragen.
In der kommenden Woche dürfte an der Basis von Verdi, Beamtenbund und der anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes über den Schiedsspruch heftig diskutiert werden. Die Arbeitnehmerseite hatte eine Anhebung der Einkommen um 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten gefordert.
Die Arbeitgeber wollten zuletzt acht Prozent mehr Lohn und eine Mindesterhöhung von 300 Euro zahlen – dies in zwei Stufen von jeweils 150 Euro. Hinzu sollte eine Inflationsausgleichszahlung von 3000 Euro kommen. Die Laufzeit sollte offenbar 24 Monate betragen. Dies alles erschien den Gewerkschaften zu wenig, sodass sie die Verhandlungen Ende März für gescheitert erklärten.
Am Samstag, 22. April, müssen die Unterhändler von Bund, Kommunen und Gewerkschaften die Tarifverhandlungen in Potsdam wieder aufnehmen. Einigen sie sich nicht endgültig, droht noch immer eine Urabstimmung mit anschließenden unbefristeten Streiks.
Verhandlungsort geheim gehalten
Die Schlichtungskommission bestand aus jeweils zwölf Vertretern beider Lager. Der Verhandlungsort war bis zum Samstag geheim gehalten worden, um Störungen der Beratungen von vorneherein zu unterbinden. Vonseiten der kommunalen Arbeitgeber wurde betont: Die Tarifvertragsparteien hätten vereinbart, dass über die Schlichtungsempfehlung hinaus keine gesonderten Erklärungen abgegeben würden.