Das Siegmann-College ist insolvent. Viele Familien haben die Geschäftsführerin Cornelia Siegmann angezeigt.

Stuttgart - Wie erst jetzt bekannt geworden ist, ist der Schulbetrieb am Siegmann-College bereits am 28. Februar endgültig eingestellt worden. Nachdem die private Einrichtung in der Calwer Straße bereits zuvor Insolvenz angemeldet hatte, hätten die verbliebenen Mitarbeiter gekündigt, teilte die Geschäftsführerin Cornelia Siegmann den Familien an jenem Sonntag mit. In dem Schreiben, das der Stuttgarter Zeitung vorliegt, steht auch: "Liebe Schüler, ich bin sehr traurig, dass die organisierte Niedertracht nun scheinbar ihr Ziel erreicht hat und Ihr mir nicht mehr mit Eurer Anwesenheit mein Leben lebenswert machen könnt."

Die Anwesenheit der Schüler an dem College und das lebenswerte Leben der Geschäftsführerin hatten die Eltern mit jährlichen Schulgebühren zwischen 19.000 und 29.000 Euro teuer bezahlt - die meisten davon im Voraus für das ganze Schuljahr. Doch eine Gegenleistung in Form von Unterricht werden sie dafür nicht mehr bekommen. Ob überhaupt ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, prüft derzeit der vorläufige Insolvenzverwalter Tibor Braun. Er will voraussichtlich bis Ende März dem Amtsgericht sein Gutachten vorlegen. Und die Schüler müssen nun selbst schauen, wo sie bleiben und wie sie sich auf ihre Schulfremdenprüfung bei Haupt- , Realschulen oder Gymnasien vorbereiten.

Familien erstatten Anzeige


"Wir haben unser ganzes Geld verloren", berichtet die Mutter eines Zehntklässlers, der kurz vor der Realschulabschlussprüfung steht. "Jetzt organisieren wir für unseren Sohn private Nachhilfe." Wo dieser jedoch seine Schulfremdenprüfung ablegen wird, wisse die Familie nicht. Man habe sich auf die Zusicherung von Cornelia Siegmann verlassen, dass das Kind hierfür bereits irgendwo angemeldet worden sei. Das verlorene Geld will sich die Familie auf dem Zivilklageweg versuchen wiederzuholen. "Und wir werden Anzeige wegen Betrugs erstatten", kündigte die Mutter an.

Damit ist sie nicht die Erste. Bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart liegen bereits mehrere Anzeigen gegen Cornelia Siegmann vor, ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs laufe bereits, eine weitere Anzeige wegen Betrugs sei jüngst dazugekommen, bestätigte die Sprecherin der Behörde auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung. Auch eine Anzeige wegen Insolvenzverschleppung liege der Anklagebehörde vor. Und auch im Landgericht ist Cornelia Siegmann keine Unbekannte. Dort ist bei der 17. Strafkammer bereits seit zweieinhalb Jahren ein Verfahren gegen sie wegen Betrugs in 68 Fällen anhängig. Dabei geht es um den Vorwurf, dass Siegmann den Eltern ihres schon im August 2008 geschlossenen Privatgymnasiums vorgespiegelt haben soll, dass die Schüler dort auch ihr Abi machen könnten. Doch hierfür fehlte dem Gymnasium die nötige staatliche Anerkennung.

Auch mit ihrem Privat-College, einer Art Ganztags-Nachhilfeeinrichtung, bewegte sich Cornelia Siegmann in einer Art Grauzone. Denn da diese Einrichtung keine staatliche Genehmigung hatte, konnten Kinder dort auch nicht ihrer Schulpflicht nachkommen. Doch dies war vielen Eltern nicht bewusst. Auch die Mutter jenes Zehntklässlers erfuhr davon erst dieser Tage durch ein Schreiben vom Regierungspräsidium und war sehr erschrocken.

Eltern haben offenbar eine neue Schule gegründet


Nach Auskunft der Schulaufsichtsbehörde seien "zum Schluss noch gut ein Dutzend Kinder im schulpflichtigen Alter" ins Siegmann-College gegangen und hätten sich somit der Schulpflicht entzogen. Doch alle Eltern seien kooperativ und müssten nicht mit rückwirkenden Sanktionen rechnen, erklärte ein Sprecher des Regierungspräsidiums. "Das Wohl der Schüler steht im Vordergrund." Zunächst gehe es darum, dass diese ihre Schulfremdenprüfung absolvierten und dass es bei den schulpflichtigen Kindern anschließend korrekt weitergehe. Darauf werde die Behörde ein Auge haben.

Dem Vernehmen nach sollen andere Eltern von Siegmann-Schülern jetzt kurzerhand ein privates Gymnasium in Stuttgart gegründet haben, um ihren Kindern der Klassenstufen elf, zwölf und 13 somit einen alternativen Weg zum Abitur zu ermöglichen. Vom Regierungspräsidium war hierzu gestern jedoch keine Stellungnahme mehr zu erhalten.