Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Dabei ist Keller erst seit acht Jahren Schnapspädagoge. Der brennende Autodidakt hatte zuvor den Kunstbuchverlag Revolver betrieben, der in seinen besten Zeiten bis zu 150 Bücher im Jahr veröffentlichte. Kellers Biografie umfasst so viele Brüche, dass man ein Buch daraus machen könnte – in der Tradition von Patrick Süßkind, dessen Protagonist in „Das Parfum“ die erstaunlichsten Düfte kreiert.Keller hat Kunstgeschichte in München und Kunstwissenschaft in Karlsruhe studiert. Bereits während des Studiums gründete er den Revolver Verlag. Gleich mit der ersten Veröffentlichung gelang ihm ein beachtetes Debüt: Das Bremer Künstlerduo Korpys/Löffler hatte Fotografien von konspirativen Wohnungen der RAF beim Landeskriminalamt in Tübingen geklaut. Christoph Keller und die Künstler machten daraus auf dem heimischen Drucker ein Buch in einer Auflage von 300 Stück.

 

Vor acht Jahren gab Keller den Verlag ab und kaufte zusammen mit seiner Frau die Stählemühle. Nach einem einwöchigen Crashkurs, den ihm der Sohn des Vorbesitzers spendierte und der nach Kellers Angaben eher dem Motto „Dilettieren statt Destillieren“ folgte, probierte er sich einige Jahre im Stillen als Brenner aus.

Heute kann Keller vorzüglich über die Parallelen zwischen Schnaps und Kunst dozieren, während er die Produktionsstätten vorführt. „Das empirische Vorgehen und das Experimentieren auf dem Weg zur Qualität sind beim Destillieren und bei der Kunst ähnlich.“ Und worin unterscheiden sich beide Felder? „Meiner Mutter hätte ich keines meiner Kunstbücher zeigen können, moderne Kunst setzt zu viel Wissen voraus. Beim Schnaps erhalte ich ein viel direkteres Feedback, auch vom Nachbar nebenan.“

Nebenher spielt Keller den Kunstclown

Fehlt dem Künstler mitten auf dem Land nicht manchmal der Austausch mit anderen Kunstinteressierten? „Ich spiele ja nach wie vor den gut bezahlten Kunstclown für den JRP-Ringier Verlag“, sagt er, für die Schweizer gibt Keller ausgewählte Kunstbücher heraus. Die großen Künstler-Egos, die überall mitreden wollten, habe er aber ohnehin irgendwann nicht mehr ausgehalten. „Wobei die Brennerszene fast genauso schräg ist.“ Weiter zur hochmodernen Brennanlage: der Raum riecht, als wäre man in eine Wanne voll frisch gepresstem Blutorangensaft gepurzelt. Der Brand der Sizilianischen Blutorange Moro ist Kellers erfolgreichstes Produkt.

„Wann immer ein Bericht über den Monkey erscheint, stehen bei mir am nächsten Tag Besucher auf der Matte, die meinen Namen und den Gin gegoogelt haben und auf der Seite der Stählemühle gelandet sind“, erzählt Keller. „Wir haben hier aber weder einen Laden noch eine gläserne Produktion.“ Neulich, an einem Sonntagnachmittag, stand plötzlich ein Reisebus im Hof. Ihm entstiegen dreißig Italiener, die unbedingt alles sehen und erkunden wollten. Fast täglich gehen laut Keller Anfragen für ein Gin-Praktikum bei ihm ein – aus Thailand, Japan oder anderen Orten, die sich in Eigeltingen-Münchhöf recht weit weg anfühlen. Auf kulinarischen Messen ist er ein gefragter Gast, in Stuttgart gastiert er vom 11. bis 14. April auf der Slow-Food-Messe.

Christoph Keller ist ein Getriebener, der Bestandteile, Geschmäcker und Nuancen zusammenführt in einer Qualität, bei der man sich ungläubig oberhalb der Speiseröhre kratzt. „Was destillierbar ist, wird auch destilliert“, lautet sein Motto. „Brennen ist Alchimie: Aus einer stinkenden Maische entwickelt sich ein duftendes Produkt.“

Mühle statt Verlag

Dabei ist Keller erst seit acht Jahren Schnapspädagoge. Der brennende Autodidakt hatte zuvor den Kunstbuchverlag Revolver betrieben, der in seinen besten Zeiten bis zu 150 Bücher im Jahr veröffentlichte. Kellers Biografie umfasst so viele Brüche, dass man ein Buch daraus machen könnte – in der Tradition von Patrick Süßkind, dessen Protagonist in „Das Parfum“ die erstaunlichsten Düfte kreiert.Keller hat Kunstgeschichte in München und Kunstwissenschaft in Karlsruhe studiert. Bereits während des Studiums gründete er den Revolver Verlag. Gleich mit der ersten Veröffentlichung gelang ihm ein beachtetes Debüt: Das Bremer Künstlerduo Korpys/Löffler hatte Fotografien von konspirativen Wohnungen der RAF beim Landeskriminalamt in Tübingen geklaut. Christoph Keller und die Künstler machten daraus auf dem heimischen Drucker ein Buch in einer Auflage von 300 Stück.

Vor acht Jahren gab Keller den Verlag ab und kaufte zusammen mit seiner Frau die Stählemühle. Nach einem einwöchigen Crashkurs, den ihm der Sohn des Vorbesitzers spendierte und der nach Kellers Angaben eher dem Motto „Dilettieren statt Destillieren“ folgte, probierte er sich einige Jahre im Stillen als Brenner aus.

Heute kann Keller vorzüglich über die Parallelen zwischen Schnaps und Kunst dozieren, während er die Produktionsstätten vorführt. „Das empirische Vorgehen und das Experimentieren auf dem Weg zur Qualität sind beim Destillieren und bei der Kunst ähnlich.“ Und worin unterscheiden sich beide Felder? „Meiner Mutter hätte ich keines meiner Kunstbücher zeigen können, moderne Kunst setzt zu viel Wissen voraus. Beim Schnaps erhalte ich ein viel direkteres Feedback, auch vom Nachbar nebenan.“

Nebenher spielt Keller den Kunstclown

Fehlt dem Künstler mitten auf dem Land nicht manchmal der Austausch mit anderen Kunstinteressierten? „Ich spiele ja nach wie vor den gut bezahlten Kunstclown für den JRP-Ringier Verlag“, sagt er, für die Schweizer gibt Keller ausgewählte Kunstbücher heraus. Die großen Künstler-Egos, die überall mitreden wollten, habe er aber ohnehin irgendwann nicht mehr ausgehalten. „Wobei die Brennerszene fast genauso schräg ist.“ Weiter zur hochmodernen Brennanlage: der Raum riecht, als wäre man in eine Wanne voll frisch gepresstem Blutorangensaft gepurzelt. Der Brand der Sizilianischen Blutorange Moro ist Kellers erfolgreichstes Produkt.

Ein Stück weiter den Hang hinauf ist Kellers Lager, ein früherer Schweinestall. Hier befindet sich das komplette Schnapssortiment, eine Bibliothek mit Restbeständen des Revolver Verlags sowie ein professionelles Fotoequipment, mit dem Christoph Keller Obst fotografisch dokumentiert. Letzte Etappe: der Kräutergarten. Von hier aus kann man das gesamte Mühlengelände überblicken. Sieben Hektar bewirtschaften die Kellers, etwa 400 Obstbäume nennen sie ihr Eigen.

Wie viele Querköpfe verfügt Keller über Ansichten und Einblicke, die man andernorts nicht ganz so gerne hören wird. Er kann herrlich über die sensorische Versautheit von Sommeliers lästern oder über die Digestifkultur in Deutschland: „Wenn ich einen industriell hergestellten Schnaps in einem Sternerestaurant entdecke, frage ich den Betreiber, ob er auch Tiefkühlpizza im Sortiment hat.“ Kellers Kundschaft, die für die Schnäpse zum Preis von 55 bis 235 Euro tief in die Tasche greift, ist zwischen 30 und 60 Jahre alt. „Das sind Menschen, die gerne probieren und an anderen Statussymbolen als Autos oder Uhren interessiert sind.“

Dabei sind Kellers Geiste und Brände viel zu schade, um sie sich nur als Statussymbole ins Wohnzimmer zu stellen. Wer einmal von der Wahl’schen Bodenseebirne am Gaumen geküsst wurde, hat vom Baum der Erkenntnis gekostet: Vom Geschmacksparadies ist man in der Stählemühle immer nur einen Schluck entfernt.