Ein 45-Jähriger wird verurteilt, weil er fast 90 000 Euro von seinem Verein veruntreut hat. Vor Gericht gibt er sämtliche Vorwürfe zu und entschuldigt sich für sein Tun.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Schorndorf - Über knapp zwei Jahre hinweg hat Klaus B. (Name geändert) das Konto des Freibadvereins im Rudersberger Teilort Steinenberg nahezu leer geräumt. 64 Abbuchungen, insgesamt rund 90 000 Euro, mit denen er sich persönlich bereichert habe, wirft die Staatsanwaltschaft Stuttgart dem 45-Jährigen vor, der als Vorsitzender seinerzeit die alleinige Vollmacht über die Vereinsfinanzen hatte. Jeden einzelnen der Vorwürfe gibt der Angeklagte ohne Wenn und Aber zu: Er habe das Geld dazu verwendet, seine Glücksspielsucht zu befriedigen.

 

Er habe manchmal nicht nur mehrmals an einem Tag Geld vom Vereinskonto veruntreut, um es direkt in Spielautomaten zu stecken, er habe auch seine Freunde und Mitstreiter im Verein belogen und betrogen, räumt B. vor Gericht unumwunden ein. Die Kassiererin, die Belege für die Auszahlungen forderte, habe er immer wieder vertröstet, ihr und anderen Vereinsverantwortlichen vorgegaukelt, dass das Geld in eine Solaranlage für das Vereinsbad investiert werde. Er habe sich in ein Netz von Lügen verstrickt, aus dem er nicht mehr wieder herausfand. Zwischenzeitlich hatte er gut 40 000 Euro zurückgezahlt, um sich danach aber erneut zu bedienen.

Vor Gericht betont der 45-Jährige, wie entsetzlich leid es ihm tue, so viele Menschen enttäuscht zu haben. Schon einmal sei er der Spielsucht verfallen gewesen. Doch nach einer Therapie im Jahr 1994 dachte er eigentlich, davon für immer losgekommen zu sein. Jetzt habe er erneut ärztliche Hilfe in Anspruch genommen.

Privat steht der Mann vor einem Scherbenhaufen. In dem Ort, wo er bisher hoch angesehen war, sogar gebeten wurde, für den Gemeinderat zu kandidieren, ist er unten durch und deshalb mittlerweile weggezogen. Auch seine Ehe ist auseinandergebrochen, die Scheidung läuft. „Meine Freunde, die alte Clique, all das gibt es nicht mehr.“ Nur seine Arbeitsstelle ist ihm geblieben. Dort wolle er sich ganz besonders anstrengen, um die Schulden zurückzuzahlen. „Ich muss das jetzt wieder gut machen“, sagt er. Einen Kredit, der dem gut verdienenden Industriekaufmann unter normalen Umständen sicherlich gewährt worden wäre, haben die Banken abgelehnt. B. hatte ehrlich geantwortet, wofür er das Geld benötigte. Nun wird ein Teil seines Gehaltes regelmäßig gepfändet.

Der Verteidiger betont, er habe selten einen Mandanten erlebt, der „so schonungslos zu seinen Taten steht“. Der pathologische Hintergrund der Spielsucht sei für ihn die einzige Erklärung, warum der fest in alle sozialen Strukturen eingebundene Mann derart aus seinem gefestigten Leben ausgebrochen sei. Auch der Staatsanwalt betont, dass es das Gericht in dem vorstrafenfreien Angeklagten nicht mit einem Verbrecher zu tun habe. Seine „Spielleidenschaft“ sei zwar wohl der Grund für die Untreue, diese sei für das Urteil aber strafrechtlich nicht relevant.

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Rolf Ziemer berücksichtigte das umfassende Geständnis, die Reue und die aktive Bereitschaft, den Schaden wieder gut zu machen, zu Gunsten des Angeklagten. „Die positiven Umstände bei der Bewertung überwiegen“, sagte Ziemer und setzte die Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung aus.