Die Schule fängt wieder an und viele Schüler haben sich vorgenommen, dass im kommenden Schuljahr alles besser wird. Kleine Kniffe können Eltern helfen, ihre Kinder für Unterricht und Hausaufgaben zu motivieren.

Stuttgart - Am Ende der Sommerferien, nach erholsamen Urlauben und viel Freizeit ist der Nachwuchs motiviert. „Im nächsten Schuljahr mache ich alles besser.“ Eine Aussage, die Eltern kennen. Nach den ersten Wochen Unterricht sind neben den Kindern auch die Eltern ernüchtert: Eigentlich hat sich wenig verändert. Hausaufgaben machen und lernen klappt genauso wenig wie zuvor. Doch hier können Eltern gezielt gegensteuern und verhindern, dass die Kinder ihre Motivation nach wenigen Wochen wieder verlieren.

 

Steffen Kirchner ist Motivationstrainer. Er arbeitet mit Profisportlern, hält aber auch Vorträge an Schulen, seine Veranstaltungen sind speziell zugeschnitten auf Schüler, Lehrer oder Eltern. Dort erfährt er auch von deren Sorgen. „Eltern haben oft das Gefühl, dass sich ihre Kinder abkapseln, keine Ziele haben und völlig unmotiviert sind“, erzählt er. Statt für die Schule zu lernen, säßen sie nur noch vor dem Smartphone oder PC. „Eine Sache verstehen die Eltern hier nicht: Kinder sind von Natur aus motiviert, nur passt die Richtung häufig nicht zu der der Eltern.“ Auch die Stuttgarter Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Manuela Christmann kennt dieses Problem. „Viele Eltern wünschen sich für ihre Kinder etwas ganz bestimmtes. Das baut Druck auf und damit schwindet die Motivation“, erklärt sie. Es bringe wenig, wenn nur die Eltern motiviert sind. „Auch die Kinder müssen Motivation für die Schule aufbringen, ganz allein, von innen heraus.“ Und dabei können die Eltern helfen.

Es hapert an der Umsetzung

„In der Psychologie stellen wir der Motivation die Willenskraft gegenüber“, sagt die Psychologin Bettina Hannover von der Freien Universität Berlin. Zu Beginn eines neuen Schuljahres sei die Motivation groß, alles perfekt zu machen. „Doch dann hapert es oft an der Umsetzung.“ Hier ist die Willenskraft des Kindes gefragt. Willenskraft braucht man für das, was man nicht tun will. Hat ein Kind die Motivation alles besser zu machen, heißt das nicht, dass es auf einmal gerne lernt. Ein Schüler muss sich dazu überwinden und das ist anstrengend.

Psychologen bezeichnen die Willenskraft auch als emotionalen Muskel, der ermüden kann. Zahlreiche Studien zeigen, dass Probanden nach aufgebrachter Willenskraft gestellte Aufgaben schlechter lösen. Ein Beispiel ist das Experiment von Wissenschaftlern um den bekannten Motivationsforscher Roy Baumeister der Florida State University: Sie teilten Erwachsene in zwei Gruppen ein und zeigten einen Film. Die eine Gruppe bekam die Anweisung, keinerlei Emotionen zu zeigen, während die Versuchspersonen der anderen Gruppe ihren Gefühlen freien Lauf lassen durften. Anschließend sollten die Probanden beider Gruppen eine Aufgabe lösen. Die, die zuvor ihre Gefühle unterdrücken mussten, schnitten dabei schlechter ab. Die Forscher interpretierten das als eine Ermüdungserscheinung. Die Emotionen unterdrücken kostet Überwindung und damit Willenskraft.

Schüler müssen sich überwinden, um ihr Lernverhalten und somit antrainierte Gewohnheiten zu ändern. Hat ein Kind nie Vokabeln gelernt, kostet das umso mehr Willenskraft. „Ich rate den Eltern deshalb, ihre Kinder langsam an das Lernen heranzuführen“, sagt Christmann. Lernpausen sind wichtig, damit sich der emotionalen Muskel Willenskraft erholen kann.

Ziele nicht zu hoch stecken

Genauso wenig wie Erwachsene nach Silvester auf einen Schlag alles ändern, machen das Kinder im neuen Schuljahr. Deswegen sollten die Eltern das auch nicht verlangen. „Sind die Ziele zu groß, dann ist ein Kind schnell überfordert“, erklärt Christmann. Verspricht das Kind hoch motiviert alles zu verändern, dann sollten die Eltern eingreifen und die Ziele der Kinder zurückschrauben. Denn, um alles zu verändern, muss schlicht zu viel Willenskraft aufgebracht werden. Kleine Ziele dagegen fordern weniger Überwindung. „Und kleine Erfolge sind wie eine Belohnung. Sie halten die Motivation aufrecht“, sagt Christmann. Eine Strategie, die auch Erwachsenen helfen kann gute Vorsätze umzusetzen.

Natürlich schützen kleine Ziele nicht vor Misserfolg. Wie Kinder – und auch Erwachsene – damit umgehen, hängt mit ihrem Selbstbild zusammen. Und das wiederum formt sich auch durch die Art des Lobes. Loben Eltern die Intelligenz des Kindes, so fördert das ein festgebackenes, statisches Selbstbild: Ich kann das, weil ich klug bin. Misserfolge verkraften solche Kinder schlecht. Sie glauben versagt zu haben und führen das auf die mangelnde, angeborene Begabung zurück, und geben schnell auf. Loben Eltern dagegen die Anstrengung, so fördern sie ein bewegliches, dynamisches Selbstbild: Ich kann das, weil ich mich angestrengt habe. Mit Rückschlägen gehen solche Kinder besser um. Sie glauben, wenn sie sich anstrengen, können sie alles schaffen. Sie sind motiviert, es nach einem Misserfolg erneut zu versuchen.

Das Lernen ist das Ziel

Das zeigen anschaulich Versuche mit Fünftklässlern. Wissenschaftler der Columbia University lobten nach einem leichten Test alle Kinder für ihre gute Leistung. Zusätzlich lobten sie einen Teil der Schüler für ihre Klugheit, andere dagegen für ihre Anstrengung. Die Kinder bekamen daraufhin einen schweren Test und erzielten alle deutlich schlechtere Ergebnisse – wie von den Wissenschaftlern beabsichtigt. Sie wollten nämlich testen, wie die Kinder mit dem Misserfolg umgehen. Die für ihre Klugheit gelobten Schüler glaubten aufgrund ihrer Intelligenz schlechter abgeschnitten zu haben und gingen demotiviert nach Hause. Die anderen, für ihre Anstrengung gelobten Kinder reagierten anders: Sie wollten zuhause weiter an den Aufgaben tüfteln und glaubten, mit mehr Anstrengung auch die schweren Aufgaben lösen zu können.

In einem anschließenden Versuch gingen die Wissenschaftler noch einen Schritt weiter und luden dieselben Kinder erneut zu einem leichten Test ein. Hatten zuvor alle Kinder gut abgeschnitten, waren die für ihre Intelligenz gelobten Schüler bei diesem zweiten leichten Test deutlich schlechter. Sie hatten die mangelhafte Bewertung des schweren Tests wohl schlechter verkraftet, mutmaßen die Forscher. So schlecht, dass ihre Leistungsfähigkeit nachhaltig nachgelassen hatte.

Wer glaubt, seine Kinder vor schlechten Erfahrungen schützen zu können, liegt falsch. Jedes Kind muss lernen, dass sich Wünsche nicht von selbst erfüllen, sondern dass man dafür manchmal sein Verhalten ändern muss. „Eltern sollten im Falle eines Rückschlags eine Beraterrolle einnehmen, jedoch ohne direkt Ratschläge zu erteilen. Das Kind muss selbst herausfinden, was falsch läuft“, erklärt Hannover. Und dabei können die Eltern helfen, wenn sie die richtigen Fragen stellen. Wann hast du angefangen, dich auf die Klassenarbeit vorzubereiten? Was könntest du in Zukunft besser machen? „Richtige Fragen öffnen den Kindern häufig die Augen.“ Gleichzeitig hat der Nachwuchs den Eindruck, selbst die Lösung gefunden zu haben. Das motiviert und gibt den Kindern ein Stück der Freiheit zurück, die sie durch die Regeln in der Schule verlieren.