Staatspräsident Papoulias wirft dem deutschen Finanzminister Schäuble vor, das griechische Volk zu beleidigen. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Athen - Die Schuldenkrise treibt einen tiefen Keil zwischen Athen und Berlin. Für die schwere Rezession, die Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet und viele Menschen in die Armut treibt, machen viele Griechen vor allem das „deutsche Spardiktat“ verantwortlich.

 

Griechenlands Staatsoberhaupt hat zwar nur repräsentative Kompetenzen, aber wenn Präsident Karolos Papoulias spricht, hört man zu. Das war besonders am Mittwoch so, als der 83-jährige Papoulias anlässlich eines Besuchs im Athener Verteidigungsministerium seinem Ärger Luft machte: „Wer ist Herr Schäuble?“, fragte Papoulias sichtlich erregt. „Ich lasse nicht zu, dass Herr Schäuble meine Heimat beleidigt.“ Der griechische Staatspräsident spielte damit offenbar auf ein Rundfunkinterview an, in dem Schäuble kurz zuvor tiefes Misstrauen gegenüber den griechischen Sparversprechen erkennen ließ: Man könne sich nicht sicher sein, ob Griechenland zu dem stehe, was es jetzt verspreche. Der Bundesfinanzminister bezeichnete die für April geplanten Parlamentswahlen in Griechenland als „sehr bedenklich“ und regte an, in Athen eine Technokratenregierung nach italienischem Vorbild einzusetzen. Papoulias sagte dazu: Als Grieche könne er nicht zulassen, dass sein Land beleidigt werde.

Papoulias Worte haben umso mehr Gewicht, als sein Lebensweg eng mit Deutschland verwoben ist: als 14-Jähriger schloss er sich den griechischen Partisanen an, die gegen die deutschen Besatzer kämpften. „Wir sind stolz darauf, dass wir nicht nur unser Land verteidigt, sondern stets auch für die Freiheit Europas gekämpft haben“, sagte Papoulias. Aus dem Widerstandskämpfer wurde später ein Freund der Deutschen: Papoulias studierte in München und Köln. In Deutschland fand Papoulias während der Obristendiktatur Asyl. Als Mitarbeiter des griechischen Programms der Deutschen Welle war er in jenen Jahren für viele Griechen in der Heimat eine ermutigende Stimme der Freiheit.

Nicht nur Papoulias ist empört über Schäuble. Auch die frühere griechische Außenministerin Dora Bakogianni, die während der Militärdiktatur unter anderem in München lebte, meldete sich gestern zu Wort: „Es hilft uns Griechen nicht, wenn Herr Schäuble uns sagt, was für eine Regierung wir haben sollen“, sagte Bakogianni im Deutschlandradio. Griechenland habe trotz aller Versäumnisse Respekt verdient. „Könnte sich ein Land in Europa vorstellen, den Deutschen zu diktieren, was für eine Regierung sie haben werden?“

In Griechenland beginnt sich der Eindruck durchzusetzen, dass es einigen Partnern in der EU gar nicht mehr darum geht, Griechenland an Europa zu binden. Darauf hob am Mittwoch bereits Finanzminister Evangelos Venizelos ab: „In Europa spielen manche mit dem Feuer“, sagte Venizelos, „etliche wollen uns nicht mehr in der Eurozone.“ Eine Befürchtung, die immer mehr Griechen teilen. „Was wollen die Deutschen?“, fragte Griechenlands größte Zeitung „Ta Nea“ in der Titelschlagzeile. Das Blatt äußerte den Verdacht, Berlin zögere die neuen Hilfskredite hinaus, um sich auf eine Griechen-Pleite vorzubereiten und das Land dann fallen zu lassen. Auch die seriöse Zeitung „Kathimerini“ schrieb, Berlin arbeite auf einen Bankrott Griechenlands hin, um sich „von einer Last zu befreien“.

Griechenlands Boulevardblätter formulierten pointierter: „Schäubles Junta“, lautete gestern die Titelschlagzeile der Zeitung „Eleftheros Typos“. Unterzeile: „So will der deutsche Finanzminister die griechischen Wahlen vereiteln.“ Noch schärfere Töne schlug die Zeitung „Dimokratia“ an: „In die Gaskammer“ würden die Griechen geschickt, lautet die Schlagzeile. „Schäuble gießt Benzin ins Feuer der sozialen Explosion, er verbietet uns zu wählen und ordnet die Bildung einer Technokratenregierung an.“

In griechischen Regierungskreisen war man bemüht, die Wogen zu glätten und die Kontroverse nicht noch weiter anzuheizen. Eine offizielle Äußerung des Kabinetts gab es zunächst nicht. Aber Irritation ist auch hier spürbar: über Wahlen entscheide man immer noch selbst, hieß es in diplomatischen Kreisen.