Die Schule beim Jakobsweg muss anbauen. Der Platz reicht schon seit langem nicht mehr. Konzipiert für 160 Schüler, werden dort heute 330 unterrichtet.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Non scholae sed vitae discimus – der alte Spruch, man lerne nicht für die Schule, sondern für das Leben, lässt bis heute Pennäler genervt die Augen rollen. In der Schule beim Jakobsweg in Winnenden bekommt die lateinische Weisheit jedoch einen ganz anderen Sinn. „Junge Menschen mit einer Hör- oder Sehbehinderung lernen hier, ihre Bedürfnisse und Wünsche zu artikulieren und einzufordern. Das ist für das Leben nach der Schule wichtig“, sagt Andreas Maurer, der Hauptgeschäftsführer der Paulinenpflege, der Trägerin der Schule. Denn nach dem Schulbesuch kämen sie in eine Umgebung, die sich nicht unbedingt auf ihre Anforderungen einstelle.

 

Ideale Umgebung für Hörbehinderte

Das müsse kein böser Wille sein, meist sei es Ahnungslosigkeit. Wer weiß schon, wie störend Umgebungsgeräusche für einen Menschen sind, der ein Hörgerät oder ein Cochlea-Implantat zum Hören braucht? Andere darauf hinzuweisen, ist deshalb wichtig. Die Bezeichnung Inklusion halte er für nicht so glücklich, sagt Maurer. „Teilhabe finde ich viel besser.“ Diese müsse auch von Fall zu Fall angemessen geschehen. Nicht jeder junge Mensch mit einer Behinderung könne ohne Weiteres an einer Regelschule mithalten. Die Schule beim Jakobsweg geht deshalb einen umgekehrten Weg. Hier kommen Schülerinnen und Schüler ohne Handicap dazu.

Im Herbst 2011 wurde die Schule mit dem außergewöhnlichen Konzept eingeweiht und bald schon zeigte sich, dass der Platz in dem Neubau im Winnender Schelmenholz nicht ausreichen würde. Längst sind Räume im Berufsbildungswerk der Paulinenpflege als Klassenzimmer belegt worden. Der Andrang von Schülerinnen und Schülern allein aus der Raumschaft war und ist groß. Für 160 Schüler geplant, werden heute 330 unterrichtet. Das liegt nicht nur an dem vielfältigen Angebot – die Schule ist eigentlich ein Schulzentrum, an dem unterschiedlichste Abschlüsse gemacht werden können – es liegt offenkundig auch an dem speziellen Umgang von Schülern und Lehrern, der sich schnell herumgesprochen hat.

Ein besonderes verhältnis zwischen Lehrern und Schülern

„Dieser ist bei uns schon besonders, unter anderem, weil Schüler und Lehrer außerhalb des Unterrichts miteinander zu tun haben“, sagt Beate Löffler, die Leiterin der Schule. Ein Teil besucht ein Internat, da auch Schülerinnen und Schüler von weiter her hier lernen. Die Präsenz der Schüler motiviere wiederum die Lehrer, sich außerhalb des Unterrichts zu engagieren.

Dass hier das Schuljahr vor den Sommerferien zwei Tage länger geht als an anderen Schulen des Landes, scheint keinen zu stören. Der Grund für diese Verlängerung liegt im Internatsbetrieb: Brückentage wie Himmelfahrt und Fronleichnam werden verlängert, damit Interne nach Hause fahren können. Diese Tage werden dann „angehängt“. Mit Begeisterung wurden wie in jedem Jahr Projekttage veranstaltet, zu denen man Gäste empfing, um an diesen die Projekte „auszuprobieren“.

Die Arbeiten für den Anbau haben begonnen

Nun wird gebaut. Für 1,5 Millionen Euro entsteht ein mehrstöckiger Anbau, der sowohl ebenerdig als auch über einen Verbindungsgang im Obergeschoss mit dem bestehenden Schulgebäude verbunden wird. Damit kommen dann alle Klassen des Schulzentrums unter ein Dach.

„Wir bekommen zwar Zuschüsse, müssen den Baupreis aber vorfinanzieren“, sagt Andreas Maurer. Sollte alles ohne Komplikationen über die Bühne gehen, wird der Neubau 2019 fertig sein.