Schule in der Pandemie Für digitalen Unterricht fehlt die Ausstattung

Zu wenige Laptops, schlechtes Internet – das Kollegium einer Filderstädter Grundschule benennt in einem verzweifelten Brief Missstände. Es gibt bereits erste Reaktionen.
Filderstadt - Pädagogen stellen wohlwollende Zeugnisse aus. So wählt auch Karin Genitheim ihre Worte mit Bedacht. Sie wolle niemandem einen Vorwurf machen. Die Stadt sei bemüht, die Schulen in Sachen Digitalisierung voranzubringen. Aber sie arbeite etwas langsam, sagt die Rektorin der Wielandschule. Und auch Mitteilungen des Kultusministeriums, in denen die Ministerin Susanne Eisenmann aufzähle, was für die Schulen alles auf den Weg gebracht worden sei, rufen bei ihr und ihrem Kollegium Unmut hervor. Denn: „Bei uns ist davon noch nichts gelandet“, stellt Karin Genitheim klar.
Der Ärger mündete kurz vor Weihnachten in einen Brandbrief an Stadträte, Verwaltung, Schulamt, Regierungspräsidium und Ministerium. „Wir sind eine Grundschule mit 19 Lehrkräften, 13 Klassen, einer Grundschulförderklasse und einer Schulsozialarbeiterin, und wir wundern uns, wir wundern uns sogar sehr“, ist darin zu lesen. Unterzeichnet ist das Schreiben mit „verzweifelten Grüßen“.
Mit eigenen Computern – und nicht ohne Risiko
Der Brief ist ein Sachstandsbericht über die Ausstattung der Schule. Diese bestehe abgesehen von Tafeln und Kreide aus zwei Computern und einem Drucker im Lehrerzimmer. WLAN gebe es dort erst seit den Pfingstferien 2020 – und es reiche gerade einmal für diesen Raum aus. Darüber hinaus besitze die Schule sechs funktionierende Tageslichtprojektoren. Immerhin, Rektorat und Sekretariat haben ein eigenes WLAN.
„Wir arbeiten von zu Hause aus mit unseren persönlichen Endgeräten und dem persönlichen Risiko, hierbei versehentlich und unwissentlich gegen die Datenschutzgrundverordnung zu verstoßen. An ein Homeschooling-Szenario, wie es in den Medien geschildert und vom Staatlichen Schulamt durch entsprechende Richtlinien gefordert wird, ist nicht zu denken. Oder können Sie uns sagen, wie wir so beispielsweise Lerninhalte digital in Bild und Ton vermitteln können?“, fragen die Pädagogen in ihrem Brief. Geplant ist, dass die Schule im Rahmen des „Sofortausstattungsprogrammes“ 30 Schülertablets bekommt. Für digitalen Unterrichten seien aber noch weitere technische Geräte wie Laptop, Beamer und Kamera erforderlich. „Diese fehlen jedoch, da die Mittel der Stadt begrenzt waren auf 430 000 Euro für elf Schulen“, schreibt das Kollegium. Vor allem in Anbetracht des jetzigen Lockdowns benötige die Wielandschule „ganz dringend“ vier Dienstlaptops, um im Falle einer verlängerten Schließzeit den Kindern in der Notbetreuung den Zugang zu digitalen Lerninhalten zu ermöglichen.
Erster Medienentwicklungsplan längst Makulatur
Was das Team der Wielandschule besonders ärgert: Es hatte bereits 2017 seinen ersten Medienentwicklungsplan (MEP) fertiggestellt – als erste Grundschule in Filderstadt. Das habe viel Zeit und Geld gekostet, sagt Karin Genitheim. Inzwischen sei dieser veraltet. Seit 2019 werde ein neuer MEP erarbeitet, in einem neuen vom Land vorgegebenen Verfahren, bei dem immer auch die Stadtverwaltung eingebunden werden müsse. Das sei aufwendig und bremse die Schule in ihrem Digitalisierungsprozess aus. „Im MEP sind für uns wichtige Bausteine verankert wie beispielsweise Dokumentenkameras. Der Kauf dieser wird uns aber aktuell aufgrund des ausstehenden MEP verwehrt!“, heißt es in dem Brandbrief. Weiter steht dort: „Gerade unter den aktuellen Pandemiebedingungen können Sie sicher nachvollziehen, dass uns die zeitnahe digitale Ausstattung ein besonderes Anliegen ist.“
Antworten von der Verwaltung gefordert
Aus dem Gemeinderat gibt es erste Reaktionen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Walter Bauer schreibt in einer Mail an den Filderstädter OB Christoph Traub, dass ihn die Beschreibung der Situation an der Schule „erschreckt“ habe. Er beantragt, dass die Verwaltung in der Ausschusssitzung am kommenden Montag dazu Stellung nimmt und berichtet, wie noch bestehende Mängel beseitigt werden können. Zudem fordert Walter Bauer Informationen zur digitalen Ausstattung der anderen Filderstädter Schulen.
Auch Dennis Birnstock hat bereits einen Antrag formuliert. Die Pandemie dürfe nicht dazu führen, dass die Schüler auf der Strecke bleiben, weil der Bildungsauftrag nicht mehr erfüllt werden könne, schreibt der FDP-Vorsitzende. Um den aktuellen Kontaktbeschränkungen gerecht zu werden, bleibe nicht viel anderes übrig als Kinder und Jugendliche– zumindest ab einer gewissen Klassenstufe – im Fern- oder Wechselunterricht zu beschulen. Dafür brauche es aber die richtige Infrastruktur, für die unter anderem die Stadt als Schulträger mit verantwortlich sei. „Daher fordern wir einen Überblick über die digitale Ausstattung der Filderstädter Schulen, in dem ersichtlich wird, wo es an digitaler Infrastruktur fehlt und was die Schulen benötigen, um den geforderten Fern- und Wechselunterricht gewährleisten zu können“, schreibt Birnstock.
Der Filderstädter Schulbürgermeister Jens Theobaldt kann „die Sorgen und dargestellten Schwierigkeiten nachvollziehen“. Versäumnisse seien der Stadt jedoch nicht vorzuwerfen. Die im Rahmen des Sofortausstattungsprogramms für die Schulen bestellten Geräte seien nicht wie vorgesehen im November geliefert worden. Eine Firma sei mit einer Bestandsaufnahme zur Internetversorgung an Schulen beauftragt worden und habe diese mittlerweile vorgelegt. Darüber werde er im Ausschuss berichten. Und was die Erarbeitung eines Medienentwicklungsplans betreffe, sei die Stadt nun mal an die Vorgaben des Landes gebunden.
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