Grundschule: Lehrern wird zu viel zugemutet
Petra arbeitet seit acht Jahren an einer Schule in der Region Stuttgart als Grundschullehrerin. Die 52-Jährige beobachtet seit ihren Anfängen eine stetige Abnahme der Leistung der Schülerinnen und Schüler. „Es liegt nicht nur an Themen wie Digitalisierung oder Migration, dass die Schüler schlechter geworden sind“, sagt sie. „Das Problem ist, dass uns Lehrkräften immer mehr zugemutet wird und dadurch der Unterricht mehr in den Hintergrund rückt“, sagt sie.
Weil es weniger Lehrkräfte für Sonderschulen gebe, müssten sie und ihre Kolleginnen beispielsweise Schülerinnen und Schüler mit besonderem Lernbedarf einschätzen und häufig auch in einer regulären Klasse unterrichten. Der gute Wille sei immer erkennbar, aber der Alltag mache vielen ambitionierten Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. „Teilweise ist man viel damit beschäftigt, Konflikte mit lernauffälligen Schülerinnen und Schülern zu lösen. Am Ende ändert sich aber nicht viel“, sagt sie. Wenige Lehrkräfte, ein hoher Anteil an Schülern, die kein Deutsch sprechen können und Eltern, die wenig Verantwortung übernehmen wollen. Das seien die Probleme. „Wenn den Kindern in der ersten und zweiten Klasse die Grundlagen beim Lesen und Rechnen fehlen, trägt sich das bis ins Erwachsenenleben fort“, sagt sie. Der Mangel in der Grundschule sei daher besonders einschneidend für das Bildungsniveau, sagt sie.
Gymnasium: Man merkt wenig von der Pisa-Realität
Birgit ist seit 23 Jahren Lehrerin und unterrichtet an einem Gymnasium Englisch und Deutsch. Sie widerspricht der These, dass die Schüler immer schlechter würden. „Letztendlich gibt es mal starke und schwache Jahrgänge. Oft wird die Leistung einer Klasse von wenigen leistungsstarken Schülern getragen“, sagt sie. Das soziale Gefüge einer Klasse sei entscheidend. Wenn die coolen Schüler zufällig auch gut im Unterricht sind, würde das oft auf andere abfärben.
Sie sieht das Problem, das sich in der Pisa-Studie zeigt, in der Dreiteilung des Schulsystems. „Ich beobachte immer öfter, dass sich in der fünften Klasse Schüler wiederfinden, die gar nicht geeignet sind fürs Gymnasium“, sagt sie. Gleichzeitig fände sie es sinnvoller, wenn man schlechtere Schüler nach der Grundschule nicht aussortieren würde, sondern sie mit den guten zusammentun würde. „Außerdem gibt es manche Dinge, die die Schule einfach nicht beibringen kann. Daher ist ein unterstützendes Elternhaus oft ausschlaggebend für die Leistung eines Schülers“, sagt die Lehrerin. Gebe es keinen elterlichen Rückhalt, bräuchten Schüler einen besonders hohen Ehrgeiz, um im deutschen Schulsystem erfolgreich zu sein.
Gemeinschaftsschule: Ein System, das nicht umsetzbar ist
Die 37-jährige Gabriela arbeitet seit einigen Jahren an einer Gemeinschaftsschule im Stuttgarter Raum. Sie sagt, dass es jedes Jahr schwerer werde, die Schüler zu unterrichten. Grund sei auch das Schulsystem. Teilweise seien verhaltensauffällige Schüler mit besonderem Lernbedarf zusammen in einer Klasse mit Schülern, die von der Grundschule kommen und nicht richtig lesen und schreiben können. „Ein normales Unterrichtsklima zu erzeugen, ist da sehr schwer“, sagt sie. Das Ideal, dass Schüler mit drei verschiedenen Lernniveaus in einer Gemeinschaftsschule zusammengeführt werden könnten, würde auch oft an der Realität scheitern.
„Teilweise erkennen die Eltern die Probleme an unserer Schule und ziehen ihre Kinder ab“, sagt Gabriela. Kinder auf Niveau von Gymnasiasten gebe es an der Schule immer seltener. Das Problem sei nicht, dass die Schüler mit Migrationsgeschichte schlechter Deutsch sprechen würden, es gebe auch sehr viele deutsche Muttersprachler, die schlechte Schüler seien. „Wir sind einfach eine Brennpunktschule. Wenn die Eltern beide arbeiten müssen, um die Miete zu bezahlen und die Kinder keinen Rückhalt daheim haben, dann zeigt sich das in der schulischen Leistung“, sagt sie. Sie fühlt sich als Lehrerin alleine gelassen. Man müsse sehr viel stemmen, doch Rückhalt von Politik und Gesellschaft erhalte man sehr wenig. „Viel zu wenige Menschen verstehen, wie der Alltag an so einer Schule wirklich aussieht“, so Gabriela. Doch das Ergebnis einer schlechten Schulpolitik zeige sich nun an der Pisa-Studie.