Gemeinschaftsschule oder Gymnasium? Diese Frage spaltet im Fall der Steinenbergschule Schulgemeinde und Schulverwaltung. Bürgermeisterin Eisenmann erklärt, weshalb nicht Mehrheiten zählen, sondern der Bedarf.

Stuttgart - Der Fall klingt kurios: Die Steinenbergschule in Hedelfingen, bisher Ganztagsgrundschule und auslaufende Werkrealschule, möchte zur Gemeinschaftsschule werden – also ein verpflichtendes, gebührenfreies Ganztagsangebot für Jungen und Mädchen aller Begabungen schaffen. So will es die Schulkonferenz, und so wollen es die Gemeinderatsfraktionen von SPD und Grünen sowie die Bezirksbeiräte. Doch dagegen steht – wie bereits berichtet – der Vorschlag der städtischen Schulverwaltung, die dort ein neues Gymnasium einrichten möchte. Jetzt gibt es Streit – und einige grundsätzliche Fragen, die weit über den konkreten Fall in Hedelfingen hinaus gehen: Wer entscheidet eigentlich, ob eine Schule Gemeinschaftsschule wird? Oder ob sie Gymnasium wird? Welche Bedeutung hat das Votum der Schulkonferenz? Und welchen Spielraum hat eine Kommune in schulpolitischen Fragen überhaupt?

 

Eisenmann: Bedarf ist in einigen Stadtteilen gedeckt

Schulbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU) hält ihren Vorschlag zur Schaffung eines Gymnasiums in Hedelfingen für eine logische Folge der realen Situation vor Ort. Ihrer Ansicht nach ist der Bedarf an Gemeinschaftsschulen in den unteren und oberen Neckarvororten und in Bad Cannstatt durch die bestehenden Gemeinschaftsschulen – der Elise-von-König- und der Altenburgschule – sowie der jüngst beantragten Eichendorffschule „voll umfänglich abgedeckt“. Das, so Eisenmann, sehe auch das Staatliche Schulamt so. Somit ergebe sich für diesen Bereich auch keine genehmigungsfähige Schulgröße.

Auf der anderen Seite gebe es aber „seit fast zehn Jahren eine massive Unterdeckung im gymnasialen Bereich“, sagt Eisenmann. Dies betreffe die Neckarvororte und die Innenstadt. Der Druck auf die Neckarvororte erhöhe sich zudem, weil das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Sillenbuch wegen Sanierungsarbeiten keine Schüler vom Neckar mehr aufnehmen könne. Und deshalb, so Eisenmann, „schlagen wir die Gründung eines neuen Gymnasiums vor – den Bedarf können wir darstellen“. Das sei „keine Sache der Gemeinderatsmehrheit oder bezirksbeirätlicher Wünsche, sondern eine Entwicklung der Schülerzahlen“, betont sie. „Der Wunsch ist das eine, die Realität das andere.“ Und die Realität könne „man nicht per Antrag festlegen“.

Rolle der Stadt und der Schulen verändert sich

Der Elternbeirat der Steinenbergschule hingegen argumentiert, man wolle eine Schule vor Ort, „die jedem Kind gerecht wird“ und ihm „alle Wege in eine gute Zukunft ermöglicht“.

Dieses Beispiel, aber auch der Streit um ein Konzept für einen innovativen Schulcampus in Vaihingen, zeigt auch, dass sich nicht nur die Rolle der Schulen, sondern auch die der Kommunen in der Bildungspolitik verändert. Ganztagsschulen und innovative Pädagogik brauchen andere Räumlichkeiten und Ausstattungen, als traditionelle Schulhäuser hergeben. Zunehmend werden die Kommunen, die für die Liegenschaften, also Schulhäuser, zuständig sind, somit auch zu Gestaltern und Impulsgebern für die Pädagogik – sofern ihre Protagonisten sich dazu berufen sehen. Und Eisenmann sieht sich berufen.

„Ich find’s gut“, sagt die CDU-Frau, die mit ihren Vorschlägen auch schon in den eigenen Reihen Verblüffung ausgelöst hat. Etwa, als sie vor sechs Jahren zu Zeiten der schwarz-gelben Landesregierung das Modellvorhaben Bildungshaus Neckarpark ins Spiel brachte – unter dem Stichwort: „Bildung als Standortfaktor“. Doch mit dem Vorhaben, Kita, gemeinsames Lernen bis zur sechsten Klasse samt anschließenden Sekundarstufen unter einem Dach anzubieten, um ein neues Wohnviertel attraktiv zu machen, ist sie gescheitert. Aktuell plant die Stadt nur eine zehngruppige Kita mit einer zweizügigen Ganztagsgrundschule.

Eisenmann will weiterhin Impulse setzen

„Auch ich muss erkennen, dass es dort keinen weiteren Bedarf an Gemeinschaftsschulen gibt,“ sagte Eisenmann. Doch auch weiterhin sehe sie es als ihre Aufgabe, auf die Schulen zuzugehen und Impulse zu setzen. Auch in Form von Gemeinschaftsschulen. Dass in Stuttgart auch Realschulen diesen Weg gehen, findet sie erfreulich. „Wir unterscheiden uns da von anderen Städten.“ Dies liege vielleicht an der größeren Heterogenität in der Schülerstruktur, vielleicht aber auch an einer gewissen Offenheit oder einem „Großstadteffekt“.

Zwingen lassen jedoch müssen sich die Schulen nicht, wie etwa in Vaihingen zu sehen ist. Dort war die Bereitschaft zu einer Gemeinschaftsschule nicht groß genug, was nun wiederum die Investitionsbereitschaft der Verwaltung bremst.

Mit aktuell sechs Gemeinschaftsschulen plus den drei jüngst beantragten sieht Eisenmann die Stadt weitgehend versorgt, auch bezüglich der Verteilung über das Stadtgebiet. „Den größten Teil haben wir damit auf der Linie.“ Ein bis drei weitere Standorte wären aus ihrer Sicht noch denkbar, etwa in Stammheim, wenn dort die Park-Realschule hinzieht.

Dass die Stadt inzwischen nicht mehr nur für Fenster, Hausmeister und Schultoiletten zuständig sei, sondern auch Impulse gebe und Schulen berate, nicht nur baulich, sondern auch in pädagogischen Fragen, das schaffe neue Möglichkeiten und Kooperationen – auch mit dem Land. Das, so Eisenmann, „ist reizvoll – und eine Entwicklung, die dem Schulstandort angemessen ist“. Pädagogische Konzepte prüften das Staatliche Schulamt und die Stadt zwar gemeinsam – „aber entscheiden tut’s immer noch das Land“, so Eisenmann.