Die Debatte um das Durchfahrverbot von Lastwagen wird schärfer. Bürgermeister kritisieren die grün-rote Landesregierung.

Stuttgart - So unterschiedlich kann die Bilanz ein- und desselben Gesprächs ausfallen. Nach dem Treffen von Bürgermeistern, Vertretern der Landratsämter und des Regierungspräsidiums mit Gisela Splett, der neuen Staatssekretärin im Verkehrsministerium, sehen sich die grünen Landtagsabgeordneten, die das Treffen initiierten, auf einem guten Weg, den Lastwagenverkehr auf den Schurwaldquerungen in den Kreisen Esslingen, Göppingen und Rems-Murr zu minimieren. Das jedenfalls erklären sie in einer Pressemitteilung. Ganz anders urteilen die beteiligten Rathauschefs aus dem Kreis Esslingen in ihrer schriftlichen Reaktion. Die neue Staatssekretärin vertrete weiterhin die "harte Haltung" des Ministeriums und weigere sich, eine dauerhafte Sperrung anzuordnen. Und während die Grünen-Parlamentarier und Splett, das Regierungspräsidium (RP) auffordern, ein Konzept vorzulegen, erklären die Bürgermeister, dass es just die Staatssekretärin sei, die einen Vorschlag des RP für eine dauerhafte Sperrung nicht akzeptiere.

 

Der Streit um den Lastwagenverkehr über den Schurwald, der das Rems- und das Neckar-/Filstal trennt, ist seit Ende Mai mit aller Schärfe aufgeflammt. Vor drei Wochen wurde die für 6,9 Millionen Euro ausgebaute, fast drei Kilometer lange Aufstiegsstrecke zwischen Schorndorf und dem Teilort Schlichten im Rems-Murr-Kreis in Betrieb genommen, begleitet von lautstarken Protesten aus der Nachbargemeinde Lichtenwald (Kreis Esslingen). Dort, aber auch in weiteren Esslinger Kreiskommunen wie Plochingen, Reichenbach und Baltmannsweiler wird scharf kritisiert, dass das während der Bauzeit verhängte Lastwagen-Durchfahrverbot von Plochingen nach Winterbach und von Reichenbach nach Schorndorf aufgehoben wurde. Diese Beschränkung hatte das Regierungspräsidium verfügt, nachdem das zunächst auf die Stadt Stuttgart beschränkte Lkw-Fahrverbot auf den gesamten Bereich zwischen A 81 im Norden, A 8 im Westen und der B 10/B 313 im Südosten ausgedehnt worden war. Mithilfe der Sperrung der Schurwaldstrecken sollte der Lastwagenverkehr auf die B 10 im Neckar- und B 14/29 im Remstal konzentriert - und Ausweichverkehr über den Schurwald vermieden werden. Doch schon damals wurden Bedenken aus Gemeinden vor allem im Kreis Göppingen laut, die über mehr Verkehr vor ihrer Haustür klagten, etwa Wäschenbeuren, das an der B 297 nach Lorch liegt.

Schon vor der Einweihung der neuen Landesstraße nach Schlichten suchte das Regierungspräsidium nach einer von allen Beteiligten akzeptierten Lösung, wozu ein generelles Fahrverbot für schwere Lastwagen gehörte, wie es heißt. Die Behörde wurde aber vom damals noch von der CDU-gelenkten Verkehrsministerium gebremst, das zuerst alle Übergänge für Laster freigeben will, damit eine Verkehrszählung gemacht werden kann. Erst dann könne über Fahrverbote entschieden werden.

Die Städte und Gemeinden wünschen sich ein Durchfahrverbot für Lastwagen über zwölf Tonnen

Dieses Vorgehen hat die neue Staatssekretärin Gisela Splett nun insofern übernommen, als dass sie im Juli mit der mobilen Verkehrskommission ihres Ministeriums zuerst die Situation in den betroffenen Gemeinden unter die Lupe nehmen will, bevor eine Entscheidung getroffen werde. Sie habe den Wunsch der Städte und Gemeinden nach einem Durchfahrverbot für Lastwagen über zwölf Tonnen mitgenommen und sehe für ein Konzept, das von den betroffenen Kommunen in den drei Kreisen gemeinsam getragen werde, gute Chancen. "Wir werden alle auf Landesebene bestehenden Rechtsmöglichkeiten ausschöpfen", sagt sie. Der Schutz vor Lärm und die Verkehrssicherheit hätten absoluten Vorrang.

Unterstützung erhält sie für dieses Vorgehen nicht nur von den Landtagsabgeordneten der Grünen aus den drei Kreisen, auch der SPD-Parlamentarier Peter Hofelich (Göppingen) fordert ein Verfahren mit "Ruhe und Objektivität". Nun, da sich der Verkehr nach der baubedingten Sperrung wieder normal verteile, sei genügend Zeit, aktuelles und belastbares Datenmaterial zu erheben. Hofelich regt an, dass auf Kreisebene, aber auch mit dem Verband Region Stuttgart mögliche überörtliche Initiativen abgestimmt werden. "Es darf kein St.-Florians-Prinzip herrschen, wonach der Verkehr von Stuttgart ausgehend immer weiter an den Rand der Region verdrängt wird", fordert er.

Die Bürgermeister im Kreis Esslingen pochen aber auf eine rasche Entscheidung. Die Verkehrssicherheit sei in den engen Ortsdurchfahrten nicht gewährleistet, was bereits durch Gutachten nachgewiesen sei. Es sei völlig unnötig, dass Splett erneut eine Kommission beauftrage. "Die Staatssekretärin der Grünen öffnet den Schurwald für Lkws", meinen sie erbost.